Was ist denn mit euch los?
Es ist kein Geheimnis. Wir reisen gerne exklusiv und vor allem individuell. Der öffentliche Personenverkehr spielt bei unseren Projekten meist nur eine sehr untergeordnete Rolle und das hat in der Regel gute Gründe. Bei Planung und Ausführung legen wir hohen Wert auf Effizienz und Ressourcenmaximierung.
Allerdings darf man dafür nicht zu eingeschränkt sein, was z.B. Zeitplan, Routen oder andere Reiseteilnehmer angeht - sprich man benötigt ein eigenes Kraftfahzeug. Dennoch gibt es Situationen, wo der Individualverkehr entweder nicht zielführend bzw. sicher ist oder unverhältnismäßig teuer wäre.
Vorstellbar etwa, das man sich nach einem langen Partywochenende schlicht nicht in der Lage fühlt verkehrssicher ein Fahrzeug zu lenken - und hier kommt die öffentliche Variante ins Spiel.
Und nun? Auf der Suche nach der Auto-Alternative
In unserem Fall ging es um einen Flughafentransfer zum Berlin Tegel International Airport (TXL), bei dem wir keine Park- oder Mietwagengebühren für die Zeit des Auslandsaufenthaltes berappen wollten. Die Alternativen sind überschaubar und die meisten scheiden direkt aus. Fliegen kann man von Dresden nach Berlin nicht, ein Taxi wäre deutlich zu teuer und die Mitfahrgelegenheit zu unzuverlässig fürs das Einhalten der Boardingzeit. Was also nun?
Bleibt also als nächstes noch die Bahn. Auch hier tritt schnell Ernüchterung ein. Der "Flexpreis" für 3:38h Fahrt mit dem IC inkl. zweimal Umsteigen liegt hin und zurück pro Person bei 80€. Ahja. Selbst mit dem Sparpreiskontingent bezahlt man noch 39€. Zum Vergleich, der Spritpreis hin und zurück läge derzeit etwa bei 35€ - und das für bis zu fünf Personen. Nice Job, Deutsche Bahn.
Nach einer kurzen Recherche auf https://www.busliniensuche.de/ stellt sich heraus: BerlinLinienBus braucht sogar nur knapp eine Stunde weniger als die Bahn, man muss gar nicht umsteigen und das Ganze bieten sie für spektakuläre 9€ pro Person und Strecke an. Also das ist wirklich erstmal ein verlockendes Angebot. Wo ist der Haken? Finden wir es heraus.
Einfacher als gedacht - Buchung und Abfahrt
In der Tat gestaltet sich die Abwicklung sehr einfach - und das muss auch so sein. Bei einer derartig dünnen Marge mit 5-18€ für einen Sitzplatz von Dresden nach Berlin müssen sämtliche Prozesse möglichst schlank und automatisiert sein, damit sich das Geschäftsmodell, wenn überhaupt, rechnet.
So wird die Buchung komplett über das etwas wackelige Online-Interface abgewickelt. Die Tickets erhält man kurz darauf per E-Mail als PDF und muss diese ausgedruckt bei der Abfahrt bereithalten. So gewappnet begeben wir uns an den Treffpunkt - den Dresdner Bahnhof Neustadt - wo der Bus ca. 10 Minuten vor dem Abfahrtszeitpunkt eintraf.
Einigermaßen gesittet finden sich die Fahrgäste am Eingang des Busses ein, wo der Fahrer mit einem Handscanner die Tickets prüft. Dann geht es ans Einsortieren. BLB hat keine festen Sitzplätze, so dass man zwar die freie Sitzplatzwahl hat - aber auch sehen muss was übrig bleibt, wenn man zu spät kommt oder an späteren Stationen dazu steigt.
In unserem Fall klappt das gut, und wir nehmen samt unseres Handgepäcks auf der 5er-Reihe am Ende des Busses platz. Hätten wir weiteres Gepäck gehabt, wäre auch das gegangen - für einen verkraftbaren Euro pro Stück. Für die Verhältnisse öffentlicher Verkehrsmittel ist der Bus sauber, der Fußraum einigermaßen geräumig und die Sitze recht bequem.
Besser als erwartet - die Fahrt
Pünktlich zum geplanten Zeitpunkt rollen wir los Richtung Autobahn. Das Fahrgefühl ist ruhig, aber ein wenig schwammig. Das Fahrzeug macht einen gut gewarteten Eindruck und die Sicherheitsgurte schließen auch fest. Um uns die Zeit etwas zu vertreiben, beschäftigen wir uns ein wenig mit den Annehmlichkeiten, die das Busfahrerleben so mit sich bringt.
In erster Linie ist da zu nennen, dass BerlinLinienBus die moderne Informationsgesellschaft als Kundschaft entdeckt hat und sowohl WLAN als auch Steckdosen in den meisten Busen anbietet - wow, ein großer Pluspunkt. Allerdings muss man hier natürlich dazusagen, dass das WLAN auch nur so schnell ist, wie es das lokale Mobilfunknetz zulässt - in der brandenburgischen Pampa hat man auch über den Hotspot schlechte Karten. In einigermaßen gut ausgebauten Gebieten gehen die Datenraten durchaus in Ordnung.
Die Fahrt an sich verläuft ruhig. Genügsam zuckelt unser großes Reisegefährt mit etwa 100 km/h über die Autobahn. Wenn man sich einmal von dem "Na hier wären wir aber sonst sehr viel schneller unterwegs"-Gedanken gelöst hat, hat diese Art längere Strecken zurückzulegen etwas entschleunigendes, ja manchmal fast sogar Meditatives. Die Bäume und Felder ziehen langsam an einem vorbei und der Blick ist auf die Natur gerichtet, oder auf das Smartphone, jedenfalls nicht permanent auf den umgebenden Verkehr und die Experten, die spontan von der rechten Spurt rüberziehen.
Ok ... es war nicht so schlimm - ein Fazit
Nach knapp zwei Stunden erreichen wir die Tore Berlins, bzw. genauer gesagt den Flughafen Schönefeld. Einige Leute steigen aus, der Bus hält nicht länger als nötig. Nach weiteren, ähnlichen Stopps am Südkreuz und am ZOB, legen wir die letzte Etappe mit dem Busfahrer allein zurück. Er bringt uns sicher durch den Berliner Berufsverkehr und wir kommen sogar 10 Minuten vor der Zeit am Flughafen Tegel an - pünktlich und entspannt.
Ich muss sagen, die Fernbus-Erfahrung hat uns durchaus überrascht. Natürlich muss man in Kauf nehmen, dass man nicht immer gleich dahin fahren kann, wo man gern möchte, und das es deutlich länger dauert als man es vielleicht gewohnt ist. Aber wenn sich damit anfreundet, ist der Fernbus - je nach Strecke - eine durchaus spannende Alternative.
Unschlagbar bleibt in jedem Fall das Preis-Leistungsverhältnis. Ab 5€ werden die Fahrten in diversen Internetportalen angeboten. Wie das auch nur ansatzweise kostendeckend sein soll ist mir zwar völlig schleierhaft, aber letztlich auch egal - solange es nicht zu Lasten der Sicherheit geht. Für uns bleiben neue Eindrücke und vor allem die Erkenntnis, dass der Fernbus eine sinnvolle Option sein kann, insbesondere wenn man nicht selber fahren kann oder will - auch wenn er sicher nicht unser Lieblingsverkehrsmittel wird.