Eine Schifffahrt, die ist lustig ...
Die Adriaküste vor Kroatien wirkt oft nicht wie die Küste der Adria, sondern mehr wie ein großer See. Das liegt in erster Linie daran, dass sich unzählige kleine und vor allem große Inseln vor ihr aneinanderreihen. Eine davon ist Hvar - "unsere" Insel, direkt vor der Haustür.
Bereits an Tag 7, den wir für die ruhige Erkundung der näheren Gegend genutzt haben, hatten wir festgestellt, dass wir für einen Besuch der Insel sehr günstig lokalisiert waren - nämliche ca. eine Fahrminute von der Anlegestelle der Autofähre entfernt, die Drvenik mit Hvar verbindet.
Im Hafen kauft man ein Ticket für sein Fahrzeug und die zu befördernden Personen, in unserem Fall 116Kn für die Hinfahrt, rund 15€. Dann haben wir uns brav mit dem Golf in die Schlange der bereits wartenden Fahrzeuge eingereiht, eine halbe Stunde vor dem planmäßigen Ablegen der Fähre. Sie hat eine Kapazität für bis zu 30 PKW, je nachdem, wieviele größere Fahrzeuge (Sprinter, Wohnmobile usw.) ebenfalls an Bord sind.
Wie bereits drei Tage zuvor evaluiert, besteht die größte Herausforderung an Deck darin, möglichst platzeffizient, d.h. eng, zu rangieren und einzuparken. Da man aber von fachkundigem Personal eingewiesen wird und unser Wolf im Golfspelz in den Dimensionen stets gut überschaubar ist, war das kein größeren Problem. Die eigentliche Überfahrt war ruhig und aufgrund der Mittagssonne recht malerisch. Nach einer reichlichen halben Stunde erreichen wir die Insel.
Eine einsame Straße und noch einsamere Buchten
Mit dem Auto die Orientierung zu behalten fällt nicht sonderlich schwer - denn im Wesentlichen gibt es nur eine einzige Straße. Die besticht zunächst mit ihrer kurvigen Linienführung und dem schicken Panorama - nicht aber mit vernünftigem Belag, oder auch nur angemessener Spurbreite. Ein Bus sollte einem hier an der falschen Stelle nicht entgegen kommen, das beweisen auch die Zwillingsreifen-Bremsspuren, denen man hier und da begegnet.
Wir entschließen uns allerdings, unabhängig davon, zunächst noch die Nachmittagssonne zu nutzen und begeben uns in die einsame Bucht von Mlaska, wo bis auf ein paar versprengte Dauercamper (sehr gelungene Platzwahl!) weit und breit kein Mensch zu sehen ist. Die Bucht teilen wir uns nur mit einer Möwe und einem halben Dutzend kleiner Krebse. Die absolute Ruhe wird ausschließlich vom Meeresrauschen unterbrochen - idyllischer geht es kaum mehr.
Hier genießen wir wohl die letzten "echten" Sonnenstrahlen für dieses Jahr, da es heute für uns wieder weiter zurück gen Norden geht. Nach 1-2 Stunden Ruhe und Entspannung, von der wir hoffen, möglichst viel nach Deutschland mitnehmen zu können, begeben wir uns zurück auf die Straße, ja die eine ;).
Glücklicherweise waren die Hvarer so nett, uns ein paar Drei-Häuser-Dörfer weiter eine neue, quasi jungfräuliche Straße zu bauen, die weder das Navi kennt, noch sonst großartig irgendwer, denn auch auf dieser waren wir quasi allein. Das Stück ist noch deutlich kurviger als zu Beginn und perfekt ausgebaut ... also: warm, leer und gut - wenn das keine schriftliche Einladung für den kleinen Golf ist, sich noch mal richtig auszutoben, weiß ich auch nicht :D.
Eingerahmt wird das Ganze von sanften Hügeln, dem blauen Meer und malerisch in Szene gesetzt von dem weichen Licht der untergehenden Sonne. Dies bietet für den Beifahrer einen fantastischen Ausblick und für den Lenker prima Grip auf der gewärmten Straße. Wir folgen diesem Traum aus Asphalt weiter bis zum pitoresken Fischerdörfchen Jelsa. Unseren eigentlichen Plan, die Inselhauptstadt Hvar zu besichtigen, verwerfen wir lieber, da wir sicherstellen wollen, um 22 Uhr die letzte Fähre zu bekommen und Hvar 77 kurvige Kilometer vom Fähranleger entfernt ist.
Mediterrane Gelassenheit im verschlafenen Jelsa
Fast schon etwas traurig, dass wir angekommen sind, verlassen wir die Bilderbuchstraße und biegen ins Örtchen Jelsa ein. Der Ausblick entschädigt uns aber relativ schnell, denn das mediterrane Städtchen präsentiert sich sehr einladend und ziemlich verschlafen - genau richtig, um vor dem ersten Anflug von Rückreisestress noch ein wenig Ruhe zu tanken.
Ansonsten bietet Jelsa so ziemlich genau das, was man von einem kleinen Fischerdorf an der Küste erwarten würde - auch wenn es sich auf einer Insel befindet. Kleine und größere Boote im Hafen, Cafés, Restaurants, Souvenirläden und -stände. Die Saison ist hier schon lange vorbei und wir waren gefühlt die einzigen Touristen im Ort. Mir persönlich ist das absolut recht - mehr Jelsa für uns.
Dunkle Ecken und wechselhafte Geschichte - Lost Place Jadran Hotel
Alles in allem zwar hübsch und mondän, aber wenig spektakulär, wären da nicht das ein oder andere verfallene Objekt, sogenannte "Lost Places". Auf dem Balkan und insbesondere in Kroatien gibt es aufgrund von Krieg, Vertreibung, ungeklärter Besitzverhältnisse oder auch einfach nur dem Fehlen von Standards, z.B. beim Immobilienrecht oder in der Grundverwaltung, überdurchschnittlich viele solcher verfallener Anlagen. Seien es private, militärische oder touristische.
Empfehlung: Das Online-Magazin "Balkanist" hat eine sehr schöne, 22-teilige Artikelserie veröffentlicht, die sich ausführlich mit dem Phänomen bei der kroatischen Hotellerie beschäftigt.
Ganz am Ende des Ortes liegt ein solcher Lost Place und hält dort seinen Dornröschenschlaf: Das 1911, damals noch in Österreich-Ungarn, eröffnete Hotel Jadran. Die letzte Geschäftsaktivität scheint in dieser erstklassig gelegenen, aber kontinuierlich verfallenden Immobilie schon einige Jahre oder gar Jahrzehnte zurückzuliegen.
Das Hotel war über viele Jahrzehnte die erste Adresse am Platz und als Kurhotel bei Gästen aus ganz Jugoslawien und darüber hinaus geschätzt und begehrt. Das kann man sich heute aufgrund der (für aktuelle) Verhältnisse winzigen Zimmer kaum mehr vorstellen, umso spannender ist es, einen Blick hineinzuwerfen, um zu sehen wie Hotellerie vor 100 Jahren konzipiert war. Da das Gebäude bestenfalls halbherzig gegen Eindringen gesichert ist, aber gleichwohl einen recht stabilen Eindruck macht, begeben wir uns auf Spurensuche.
Was für Geschichten mögen sich in diesen Räumen abgespielt haben? Wer ist hier wohl alles abgestiegen? Seit wann ist es außer Betrieb und warum verfällt es in so erstklassiger Lage? Alles Fragen, auf die es keine Antworten gibt, bestenfalls Indizien. Aber die Atmosphäre, die hier geherrscht haben muss, spürt man durch den heutigen, sehr morbiden Charme noch gut durch.
Auch wenn es zugegeben nicht ganz ungefährlich ist, sich in fremden Ländern in schlecht gesicherten, unbekannten Gebäuden rumzutreiben, jubiliert bei so einem Objekt natürlich das "Urban Explorer"- und das Fotografen-Gen. In Deutschland hat man ja leider (oder zum Glück?) zunehmend weniger dieser Objekte zu erkunden, Kroatien bietet daher hier fantastische Möglichkeiten, eine hochgradig spannende kleine Exkursion in die Vergangenheit zu unternehmen.
Der krönende Abschluss
Ob der urlaubsbedingten Ermangelung an adäquatem Explorer-Equipment wie Kopflampen und festeren Schuhen überlassen wir mit Einbruch der Dunkelheit das Jadran wieder dem Verfall und der Dorfjugend und begeben uns mit Blick auf den Fährfahrplan soooo langsam wieder Richtung Küstenstraße, jedoch nicht ohne nochmal den adriatischen Sonnenuntergang zu genießen, der den Himmel in ein ansehnliches Farbspiel taucht.
Da noch ein wenig Zeit bis zur Fähre ist und wir ein letztes Mal in Ruhe die Atmosphäre des Ortes, der Insel und der Küste einatmen wollen, nehmen wir noch in der Cocktailbar Mojito einen letzten Urlaubsdrink in Dalmatien zu uns.
Hier hat man einen traumhaften Blick auf den Hafen, der abends (aufgrund der einheimischen Jugend) ein wenig aus seinem Schlaf erwacht und wenigstens etwas zu leben beginnt. Eine spannende Facette im Inselleben. Davon abgesehen wirken die altehrwürdigen Gebäude natürlich insgesamt nochmal imposanter, wenn sie im Halbdunkeln in Szene gesetzt werden.
Damit endet unser Aufenthalt in Jelsa und wir begeben uns über die geniale Straße zurück nach Sucuraj, wo die Fähre bereits auf uns wartet. Der Tag auf der Insel war super. Einsame Buchten, traumhafte Straßen, Ruhe und Frieden und verfallene Orte - so viel Abwechslung hätte man der kleinen Insel gar nicht zugetraut. Etwas wehmütig befahren wir den Dampfer zurück nach Drvenik und verabschieden uns von Hvar, jedoch nicht ohne den Gedanken, dass ein erneuter Besuch sich lohnen würde :).