Weniger (Winter) ist mehr - Reiseziel und -zeitraum
In den letzten beiden Artikeln haben wir bereits spannende Reiseziele auch unter dem Gesichtspunkt, die kalte Jahreszeit zu verkürzen, vorgestellt. Als bekennende Sommer-Fans verfolgen wir das Konzept auch dieses Jahr wieder. Dem Insel-Thema wollten wir ebenfalls treu bleiben. Nach den gemischten Erfahrungen mit Gran Canaria und den vielen spanischen Inseln in letzter Zeit sollte es ein anderes Land werden. Ausschließlich positive Erfahrungen haben wir mit Portugal gemacht und ein paar anscheinend sehr nette Inseln haben sie ja auch.
Neben den Azoren, die definitiv auch noch mal einen Blick wert sind, ist da vor allem eine Insel, die in aller Munde ist: Madeira. Unisono wird sie als wunderschön beschrieben. Grün, mit bunten Blumen soweit das Auge reicht. Atemberaubende Landschaft, spektakuläre Straßen und vor allem die Steilklippen! Tatsächlich fällt es schwer, jemanden zu finden, der etwas Negatives über das Eiland zu berichten weiß - im Gegenteil, jeder, der da war, überschlägt sich mit Lob. Stellt sich die Frage: Wo ist der Haken?! Eine kurze Recherche später stellt sich raus: Es gibt eigentlich keinen.
Was die ganze Sache etwas fordernder macht, ist die Tatsache, dass Madeira mal eben rund 1.000 Kilometer vom portugiesischen Festland entfernt im Atlantik liegt und damit nicht ganz so easy zu erreichen ist. Zudem herrschen subtropische Klimaverhältnisse und damit auch teilweise fordernde Wetterbedingungen. Davon abgesehen scheint die Insel perfekt: traumhafte Natur, gute Infrastruktur, erschwingliche Preise. In jedem Fall ist sie eines: mehr als spannend genug für einen Trip! Wir machen uns Mitte März eine Woche lang ein Bild vor Ort.
Ankommen, rumkommen, unterkommen - Das Setup
Wie schon erwähnt ist die Anreise nicht immer ganz einfach. Das scheitert keineswegs daran, dass es keine Flüge gäbe. Im Gegenteil, für einen so kleinen Flughafen fertigt Funchal erstaunliche Passagiermengen ab. So gibt es von eigentlich jedem größeren Flughafen aus Direktverbindungen, meist mit Ferienfliegern oder Low-Cost-Carriern wie EasyJet und Ryanair. Ob der Flug allerdings tatsächlich geht - und wie standfest der Magen für die Landung sein muss - entscheiden die Wetterbedingungen vor Ort. Wie buchen bei TAP Portugal, ausnahmsweise mit Layover in Lissabon. In der portugiesischen Hauptstadt festzuhängen, klingt im Zweifelsfall netter als am BER =).
In Punkto Mobilität ist ein Mietwagen unabdingbar. Da die Straßen nicht übermäßig breit, aber dafür teilweise doch recht steil sind, empfehlen wir, das Auto nicht zu groß zu wählen. Da die Auswahl aber sowieso eher begrenzt ist und sich auf Kleinwagen und City-SUVs konzentriert, dürfte das nicht so schwer fallen. Allerdings kann es sich lohnen, eine der höheren Klassen mit Automatikgetriebe zu buchen, da bei Handschaltern die Kupplung oftmals verschlissen ist. Es sind alle großen Autovermietungen am Flughafen vertreten. Bei unserer Analyse hat sich eine Buchung über den ADAC als günstigste Variante herausgestellt.
Bei den Unterkünften fällt zunächst positiv auf, dass es so gut wie keine Großhotels gibt. Das bedeutet vor allem, dass die Küste nicht schlimm verbaut ist wie auf Gran Canaria oder manchen Abschnitten Mallorcas. Vor allem bedeutet es aber auch, dass als Unterkünfte überall Ferienwohnungen und kleine, individuelle Hotelanlagen zur Verfügung stehen. Wir entscheiden uns für ersteres und buchen bei AirBnB eine der "Sunset Cliff Villas" ganz im Westen der Insel. Der Komplex besticht nicht nur mit hohem Standard, sondern vorrangig mit seiner Lage auf einer 500 Meter hohen Klippe und dem entsprechend atemberaubenden Panorama-Blick.
Für alle Unterkunftskategorien gilt: Das Preisniveau ist erstaunlich überschaubar, solange man rechtzeitig bucht! Da Madeira genau darauf achtet, dass kein Übertourismus entsteht, sind die Kapazitäten begrenzt. Dafür halten sich mit ein paar Monaten Vorlauf die Preise stark in Grenzen. Für einen Flug und eine Woche Mietwagen sind je 400€ realistisch. Bei den Unterkünften bekommt man für 80€ pro Nacht zu zweit was sehr Vernünftiges. Wer etwas tiefer in die Tasche greift, bekommt für 150€ pro Nacht puren Luxus - gerade in der Nebensaison.
"Janz weit draußen" - Vom BER in den Atlantik
Schon ein bisschen schade, dass so ein Subtropenparadies sich nicht mal eben vor der Haustür befindet. Wie also hinkommen? Ein bisschen Zeit und Aufwand wird man in jedem Fall einplanen müssen. Die einfachste Variante sind Direktflüge, wie der von EasyJet vom BER nach Funchal (FNC). Die verfügbaren Sitzplätze sind allerdings begrenzt und die Preise waren relativ absurd (~800€ p. P. inkl. Gepäck). Stattdessen kann hier ein Layover Sinn machen, denn der spart nicht nur Geld (mit TAP via LIS ~400€ p. P.), sondern ermöglicht im Zweifelsfall auch einen Plan-B-Urlaub, falls der Flugverkehr auf Madeira wetterbedingt eingestellt wird.
Wir begeben uns also nach dem gewohnten Modell zu McParking am BER und lassen uns von da zum Terminal shutteln. Check-In, Sicherheitskontrolle, Boarding usw. verlaufen reibungslos. Der BER hinterlässt dieses Mal einen einwandfreien Eindruck. Bleibt zu hoffen, dass die Kinderkrankheiten jetzt behoben sind und die Performance in der Hauptreisezeit auch noch so aussieht. An sich auch reibungslos verläuft unser Flug nach Lissabon. Leider fällt auf, dass das Service-Niveau bei TAP seit unserem ersten Flug 2014 stark nachgelassen hat. Wo damals noch kostenlos Hähnchen und Wein serviert wurden, darf man heute um einen Becher Wasser betteln. Auch der Kabinenkomfort samt Beinfreiheit hat arg gelitten. Für eine Star-Alliance-Airline grenzwertig.
Die knapp drei Stunden Aufenthalt am Flughafen in Lissabon überbrücken wir in der recht schicken ANA-Lounge und bauen nochmal ein paar Nerven auf für die berühmt-berüchtigte Landung in Funchal. Aufgrund der starken Winde und geografischen Bedingungen ist sowohl das Landen als auch das Durchstarten sehr schwierig, was zu teils aberwitzigen Manövern führt. Ironischerweise ist unsere Landung auf Madeira eine der smoothsten seit langem und wir kommen bestens am Flughafen an. Da wir allerdings noch Zeit zum Einkaufen und für die Fahrt zur Ferienwohnung brauchen, ist der Tag unterm Strich sehr lang. Insgesamt 16 Stunden haben wir von Tür zu Tür gebraucht - ähnliche Zeiten wie für Reisen nach New York. Solange einem diese Punkte bewusst sind, spricht nichts gegen einen Flug auf die Insel.
In der Nachbarschaft unterwegs - Fajã da Ovelha & Paul do Mar
Wir residieren in einem winzigen Ort namens Fajã da Ovelha, knapp eine Stunde westlich von Funchal. Wie so oft, kommen wir auch dieses Mal erst nach Einbruch der Dunkelheit in der Unterkunft an. Das hat allerdings den charmanten Vorteil, dass man dann am nächsten Morgen, wenn sich der Vorhang der Nacht lichtet, das Panorama direkt beim Aufstehen mit voller Wucht präsentiert bekommt. Da gab es einige großartige Momente: etwa der Blick aufs Mittelmeer vom Vista Palace oder der auf die Bucht von Portocolom. Aber oh damn, Madeira spielt hier zweifelsfrei instant in der Champions League mit. Nicht nur, dass man direkt vom Bett, vor allem aber von der davorliegenden Terrasse aus, unmittelbar den Atlantik sieht ...
Nein, man sieht auch in quasi alle anderen Richtungen, denn man befindet sich auf einer der höchsten Klippen Europas. Wenn man den Blick leicht nach links richtet, stellt man fest: Die Aussicht sieht ja ebenfalls megaspektakulär aus ... und so kommt man aus dem Staunen erst mal nicht mehr heraus. Die Ruhe wird zudem nur unterbrochen durch die ein oder andere Schafsglocke, denn außer einer Kirche, fünf Scheunen und ca. 12 Häusern spielt sich im Ort selbst überhaupt nichts ab.
Das Leben findet 10 Minuten die Straße runter statt - an der Küste in Paul do Mar. Eine sehr nette Serpentine, einige Tunnel und mehrere hundert Höhenmeter später kommen wir direkt am Meer an. Das kleine Küstenstädtchen ist - wie die gesamte Insel - sehr liebevoll gepflegt und besteht fast nur aus Promenade. Neben einigen Ferienwohnungen und ein paar Restaurants dominieren hier die Locals das Bild.
Bei einem Spaziergang entlang des Wassers kann man neben dem Ort vor allem die tosende Brandung und die extremen Steilklippen bewundern, die ihn einschließen. Happening-Spot ist hier die Bar de Pedra, die vom lokalen Motorcycle Club betrieben wird. Wir gesellen uns auf einen Kaffee dazu und genießen die Szenerie, die Natur und die ausgelassene Stimmung. Ein sehr netter Ersteindruck!
Saftig, steil, spektakulär - Der Westen der Insel
Nun, da wir eine bessere Vorstellung haben, wo wir eigentlich gelandet sind, brechen wir auf und erkunden "unsere Inselhälfte" - die West- und Nordküste. Wir beginnen mit einer Fahrt zum Ponta do Pargo, einem alten Leuchtturm. Hier hat man einen spektakulären Blick auf über 400 Meter hohe Klippen, die zudem komplett grün bewachsen und mit gelben Blumen und Wasserfällen garniert sind. Wow. Einige Kilometer weiter kann man eine der steilsten Seilbahnen der Welt nehmen, die Porto Moniz Teleférico. Mit ihr erreicht man einen entlegenen, sonst unzugänglichen Küstenabschnitt. Allerdings sollte man dafür echt schwindelfrei sein - das durchschnittliche Gefälle beträgt um die 100 %.
Weiter geht es in das eigentliche Städtchen Porto Moniz. Das ist vor allem für den namensgebenden Hafen und die aus natürlichem Lavagestein geformten Meerwasserpools bekannt. In diesen kann man auch baden, wenn Wind und Wellen es zulassen. Falls nicht, sollte man tunlichst davon Abstand nehmen, denn hier sind bereits Leute gestorben, nachdem sie aufs Meer hinausgetragen wurden. Auch eine nette kleine Burg und ein Aquarium kann man besichtigen. Abermals spektakulär ist die Lage vor diesen massiven, grünen Riesenhügeln im Hintergrund.
Ebenfalls baden - sogar etwas sicherer - kann man an der Nordküste. In Seixal gibt es einen der wenigen natürlichen Sandstrände Madeiras. Da dieser aber, wie quasi alles hier, vulkanischen Ursprungs ist, besteht er aus schwarzem Sand. Das tut der Ästhetik keinen Abbruch und erinnert z. B. an die Playa de Benijo auf Teneriffa. Im Hintergrund besticht hier abermals die Küstenlinie. Fast schon beiläufig werden die ohnehin schon krassen Klippen immer wieder von Wasserfällen unterbrochen, die mal eben 200, mal 300 Meter Wasser nach unten befördern. Die Selbstverständlichkeit, mit der Madeira um jede Ecke ein Panorama-Feuerwerk abschießt, ist unvergleichlich.
Den letzten Stopp auf dieser Runde legen wir in Ponta do Sol ein. Von Paul do Mar aus ein paar Kilometer die Küste runter ist auch dieses niedliche Örtchen von grünen Hügeln und dem Meer umschlossen. Der Strand ist schwarz, allerdings wie auf Madeira die Regel eher steinig als sandig. Im Kontrast dazu stehen die liebevoll gepflegten, bunten Fassaden der Häuser an der Promenade. In den Gässchen dahinter gibt es diverse hochklassige Bars und exklusive Restaurants. All das hat einen sehr einladenden, individuellen Charme. Insgesamt ist der Westen der Insel wunderschön und vor allem die Küstenlandschaft schlichtweg atemberaubend. Zudem ist es nirgends überlaufen oder im Ansatz massentouristisch.
Mehr Menschen, mehr Abwechslung - Der Osten der Insel
Um einen vollständigen Überblick zu bekommen, bleibt die Osthälfte der Insel zu erkunden. Wir beginnen mit dem Pico do Arieiro, dem zweithöchsten Berg der Insel mit 1.818 Metern über Meereshöhe. Man kann mit dem Auto bis fast zum Gipfel fahren. Hier wird klar: Der Berg macht seinem Namen alle Ehre, denn spürbar windig ist es selbst an schönen Tagen. So sollte man auch tunlichst genau den Wetterbericht studieren, wenn man plant, eine der vielen Wanderungen zu unternehmen, die hier starten. Aber auch ohne weitere Ausflüge lohnt eine Fahrt auf die Spitze, denn das Panorama ist auch hier wunderschön … und die Straße spaßig :D.
Die nächste Station ist der äußerste Osten Madeiras. Hier erstreckt sich die Halbinsel Ilhéu da Cevada. Diese kann man ebenfalls bewandern. Oder man bewundert sie einfach aus der Ferne und genießt das Panorama von einem der zahlreichen Aussichtspunkte ("Miradouros") aus =). Dies lohnt sich auch an der Nordküste der Halbinsel, etwa mit Blick auf die Ponta do Rosto, wo die Felsen eine rostig-rötliche Farbe annehmen. Wenige Kilometer weiter sind sie eher sandsteinbraun, was den Abwechslungsreichtum der Natur auf der Insel nochmal plastisch unterstreicht.
Für das Finale dieses Tages heben wir uns eine der höchsten Klippen auf - nicht nur Madeiras, sondern weltweit. Wir fahren zur Cabo Girão, die mit 589 Höhenmetern schwindelerregende Dimensionen hat. Dazu trägt auch der Skywalk bei, den man hier konstruiert hat, sowie die Vogelperspektive beim Blick über das Geländer. Schon sehr beeindruckend, aus so einer Höhe senkrecht nach unten schauen zu können - ganz ohne Flugzeug, Fallschirm oder Drohne. Zudem ist auch hier der Blick auf die Küste wie aus dem Bilderbuch, so dass sich die 3€ Eintritt zweifelsfrei gelohnt haben. Auch wenn sich im Osten der Insel aufgrund seiner Nähe zu Funchal und der höheren Dichte an Attraktionen mehr Touristen sammeln, hält sich das Gesamtaufkommen stark in Grenzen. Landschaftlich gelohnt hat sich zweifelsfrei jeder der Spots!
"Oh, sind dort nicht die Straßen so steil?!" - Fahren & Verkehr
Nach unseren umfassenden Ausflügen in alle Ecken der Insel können wir auch eine der Fragen fundiert beantworten, die am häufigsten kam: "Wie ist es dort eigentlich mit dem Fahren?!". Kurzum: sehr gechillt. Auch wenn man teilweise wilde Storys liest wie z. B. dass sich auf Madeira die steilste Straße der Welt befindet, so ist der Verkehr insgesamt doch für südeuropäische Verhältnisse recht entspannt. Auf Mallorca oder Gran Canaria wird unserer Erfahrung nach durchaus "dynamischer" gefahren als auf Madeira. Praktisch hatten wir keine relevanten Probleme. Allerdings gab es doch ein paar spannende Besonderheiten, die uns aufgefallen sind.
Vorweg aber noch ein paar Worte zum Mietwagen. Auch wenn alles gut handlebar ist, ist aufgrund der geografischen Gegebenheiten natürlich auch mit starken Steigungen und Gefällen zu rechnen. Daher empfehlen wir möglichst ein Auto, das einigermaßen leistungsstark ist (keinesfalls unter 100 PS). Zudem ist ein Automatikgetriebe ratsam, auch wenn man sich am Schalten nicht stört. Bei Autos mit manuellem Getriebe ist die Kupplung oft bis zur Unnutzbarkeit verschlissen. Sollte man zudem ein Fahrzeug mit Allradantrieb bekommen, schadet auch das nicht, vor allem aufgrund der teilweise abenteuerlichen Wetterbedingungen.
Wir haben großes Glück und können auf einen Audi A3 45 TFSIe S-Line tauschen. Das gute Stück liefert - zumindest vollgeladen - Fahrwerte nur knapp hinter denen des S3 ab. Mit 245 PS und Sportpaket können wir uns über mangelnde Fahrdynamik für lokale Verhältnisse wahrlich nicht beklagen. Es ist ein Frevel, dass sich der Motor nicht in Kombination mit Quattro bestellen lässt, denn die Vorderräder haben mit dem Drehmoment hier und da ihre liebe Mühe. Dennoch, der Audi ist weit spaßiger, als wir im Vorfeld zu hoffen gewagt hätten! Solche Schmuckstücke sind jedoch eine seltene Ausnahme, mit der man keinesfalls rechnen kann. Die rechtzeitige Buchung einer "großen" Kategorie empfiehlt sich daher!
Davon abgesehen, gibt es ein paar interessante Aspekte, mit denen man sich im Vorfeld anfreunden sollte:
- Steile Straßen: Ja, die gibt es, sogar recht häufig. Sie sind allerdings, anders als z. B. auf Gran Canaria, alle hervorragend konstruiert und gewartet. Auch wenn es steil zugeht, sind Anfang und Ende immer so sanft im Anstieg, dass man gemütlich draufrollen kann, ohne sich Sorgen machen zu müssen, aufzusitzen. Dennoch sollte man geübt darin sein, am Berg anzufahren und die Bremse korrekt einzusetzen.
- Straßenzustand: Die Infrastruktur im Allgemeinen ist hervorragend. Aufgrund der regelmäßig auftretenden Tropenstürme kommt es allerdings häufig vor, dass kleine und auch große Felsen, Äste, Bäume und ähnliches auf der Straße liegen. "Auf Sicht fahren" ist daher das oberste Gebot. Meist werden solche Probleme aber auch sehr zügig beseitigt, so dass die Behinderung selten länger als ein paar Stunden besteht.
- Tunnel: Aufgrund der Topografie gibt es unglaublich viele. Anders als in anderen Ländern aber begreift man das hier nicht als Problem, sondern als Chance. Im Tunnel ist das Geschwindigkeitslimit oft höher als außerhalb und man wird sogar zum Überholen animiert. Und warum auch nicht? Es kann nichts kreuzen, man sieht genau, was passiert, es ist trocken ... Feuer frei.
- "Softe Limits": Auf vielen Strecken hier gilt die Regelung, dass man ganz legal 10 km/h über dem Limit fahren darf, wenn die Sonne scheint (bzw. die Straße trocken ist). Genial! Sollte direkt europaweit eingeführt werden.
- Geschwindigkeitskontrollen: Gibt es als solche nicht, aber durchaus andere Instrumentarien, um die Geschwindigkeit zu regulieren. Einzigartig ist die portugiesische "Shaming-Ampel". Wenn man zu schnell fährt, wird man nicht etwa geblitzt, sondern es wird vor einem die nächste Ampel rot und man bekommt ein paar "Strafsekunden" aufgebrummt. Zudem zieht man böse Blicke der anderen Verkehrsteilnehmer auf sich, die man so auch zum Warten nötigt. Gruppenzwang funktioniert besser als Bußgeld ;).
Wenn man diese Punkte beachtet, sollte man als halbwegs geübter Fahrer keine Probleme mit der Verkehrsdynamik auf der Insel haben. Ein paar bewegte Eindrücke haben wir in unserem Timelapse für euch:
Weltklasse Küche zu erschwinglichen Preisen - Das Essen
Wir geben zu, die Erwartungen waren hoch. Aus vergangenen Besuchen in Festland-Portugal wissen wir bereits, dass die nationale Küche zweifelsfrei erstklassig ist. Dies gilt sowohl für Fleisch als auch vor allem für Fisch & Meeresfrüchte. Nun erwartet man natürlich auf einer Insel, wo es buchstäblich vor der Haustür täglich fangfrischen Fisch gibt, noch mal höhere Qualität. Und oh boy, Madeira liefert ab. Nachdem wir mit Taco Bell die kulinarischen Sünden abgehakt haben, war die Ernährung nahezu durchgängig erstklassig.
Um einen soliden Gesamtüberblick zu bekommen, starten wir mit einer geführten Foodtour von Madeira on Foot. Exklusiv unterwegs, nur zu zweit mit unserem Guide Ana, stürzen wir uns vier Stunden lang in die Gastroszene von Funchal. Dort probieren wir lokale Spezialitäten wie den gebackenen Degenfisch mit Passionsfruchtsirup und gebackener Banane - alles vor Ort produziert, versteht sich. Auch Spieße mit zartem Rindfleisch ("Espetadas") prägen die Küche. Neben diversen Desserts probieren wir auch das hiesige "Nationalgetränk" Poncha. Es handelt sich um Zuckerrohrschnaps mit Honig und Orangensaft. Schmeckt zunächst etwas weniger lecker, als man denken würde, aber man gewöhnt sich dran =).
Ein kulinarischer Höhepunkt - nicht nur der Reise, sondern generell - dürfte der Afternoon Tea im edelsten Hotel der Insel, dem Reid's Palace, sein. Dieses schmückt sich mit allerlei berühmten Namen, die bis Winston Churchill und weiter zurückreichen. Das Angebot ist so exklusiv, dass man Wochen im Voraus reservieren sollte. Die Experience ist dafür unvergesslich. Exquisite Sandwiches, handgemachte Pralinen und Tee, der perfekter nicht zubereitet sein könnte, werden garniert vom genialen Ausblick auf Palmen, Klippen und Meer. Sehr viel angenehmer kann man den Nachmittag kaum verbringen - trotz der selbstbewussten Preisgestaltung klar empfehlenswert.
Die Restaurantszene nehmen wir selbstverständlich ebenfalls unter die Lupe. Am ersten Abend starten wir im Mara Restaurante in Paul do Mar. Mit gebratenen Garnelen und mariniertem Oktopus macht man schon mal nichts verkehrt und beides ist auf sehr solidem Niveau, wenn auch noch keine geschmackliche Offenbarung. Sehr positiv überrascht waren wir von einer unscheinbaren Bar namens "Sunshine Pub" ein paar Minuten von unserer Villa entfernt. Aufgrund des Namens erwartet man jetzt kein Fine Dining. Allerdings verwirklicht sich hier ein ausgewanderter, französischer Koch sehr ambitioniert und so isst man in einem winzigen Dorf nicht schlechter als in so manchem Pariser Trendrestaurant. Leckere Tapas und lokale Produkte lassen wir uns in "The Old Pharmacy" in Ponta do Sol schmecken.
Das obere Ende der Nahrungskette stellt diesmal das "Muralha Terrace" in Ribeira Brava dar. Hier genießen wir neben hervorragenden Drinks vor allem feinste Meeresfrüchte. Als Hauptgericht gibt es einen Spieß aus Tintenfisch und Garnelen mit einer Butter-Knoblauch-Soße. Nicht nur die Qualität und Frische sind auf höchstem Niveau, auch die Geschmackskomposition ist durchdacht und liebevoll. Hier hat man den Gedanken verinnerlicht, dass Essen nicht nur satt, sondern auch Freude machen soll. Zudem ist in fast allen Restaurants das Preisniveau überschaubar. Für 50€ isst man zu zweit sehr solide inkl. Wein und mehrerer Gänge. Für 150€ bewegt man sich nah an der Sterneküche und bekommt nicht nur Essen, sondern kulinarische Erfahrungen. Man kann Madeira getrost als Fest für Foodies beschreiben.
Die Hauptstadt, die die Insel verdient - Unterwegs in Funchal
Die Inselhauptstadt auf ihre Gastroszene zu reduzieren, würde ihr Unrecht tun. Nachdem wir mit der Foodtour schon einen guten Überblick bekommen haben, schwingen wir uns nochmal auf, die Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Dabei wird schnell klar: Der sehr positive Ersteindruck bestätigt sich. Für eine Stadt mit über 100.000 Einwohnern und einer signifikanten Zahl an Touristen geht es sehr entspannt zu. Man fühlt sich immer gut aufgehoben und sicher. Zudem ist die komplette Stadt sehr liebevoll gepflegt. Das gilt für die Häuser und Straßen, vor allem aber auch für die vielen Gärten und Parkanlagen, in denen es auch im März schon in allen Farben bunt blüht.
Die beste Fortbewegungsmöglichkeit ist es, zu laufen. Ein guter Ausgangspunkt für einen kleinen Spaziergang ist der Kolumbusplatz (Praça do Colombo), der ziemlich mittig in der Altstadt liegt. Von hier aus kommt man zügig zu fast allen relevanten Sehenswürdigkeiten. Wer zunächst nochmal einen Überblick von oben bekommen will, dem sei eine Fahrt mit der Seilbahn nach Monte empfohlen. Danach lohnt in jedem Fall eine Runde im historischen Zentrum. Neben den alten Häusern und der gotischen Kathedrale "Sé" lässt sich hier auch Street Art bewundern. Viele der alten Türen sind im Rahmen eines Projektes mit Kunstwerken verziert. Ebenfalls lohnend ist ein Ausflug in die historische Markthalle. Diese stellt nicht nur in sich eine hübsche Sehenswürdigkeit dar, sondern bietet auch Gelegenheit, sich mit lokalen Leckereien einzudecken. Zudem lädt die versteckte Dachterrasse zum Entspannen und Verweilen ein.
Den Bogen holt man dann am besten über den Hafen. Die Promenade an sich ist bereits sehr hübsch, erlaubt aber auch nochmal einen 1a Blick auf die Stadt, die sich die Hügel hinaufzieht. Im und am Wasser warten auch einige spannende Sehenswürdigkeiten, etwa ein lebensgroßer Nachbau von Kolumbus' Flaggschiff, der "Santa Maria". Vor allem aber kommt man hier an einem nicht vorbei - Spitzenfußballer Cristiano Ronaldo. Der berühmteste Sohn der Insel wird hier mit Statuen und einem Museum gefeiert. Zudem betreibt er sogar ein Hotel in unmittelbarer Nähe. Selbst in der Hauptstadt gilt: Alles ist authentisch und lokal. Wenn man von dem einen oder anderen Kreuzfahrtschiff absieht, gibt es keinen sichtbaren Massentourismus. Alles in allem eine sehr angenehme, einladende und lebenswerte Atmosphäre!
Von kleinen und großen Lostplaces - Urbexing
Trotzdem der Pflegezustand der meisten Gebäude hervorragend ist, hat das Gesamterscheinungsbild der Insel eine gewisse Patina. Dazu trägt vor allem die Vielzahl verlassener und verfallener Häuser bei. Das Phänomen zieht sich quer über die ganze Insel. Sowohl in kleinen Orten wie unserem, wo Luxusvillen neben einem eingestürzten Bauernhaus stehen, bis nach Funchal. Auch dort schaut man gern mal von seinem Luxusloft auf ein Häuschen, das seit 20 Jahren verfällt. Hintergrund sind oft Streits in Erbengemeinschaften oder ungeklärte Besitzverhältnisse. Der Staat bemüht sich zwar, die Häuser zu verkaufen und zu renovieren, aber auch dort ist der Prozess aufwändig. So tragen sie als Zeitzeugen zum facettenreichen Gesamteindruck bei und regen die Fantasie an.
Wenn man die Augen offen hält, entdeckt man immer wieder mal eine Hütte am Wegesrand, ein altes Restaurant oder auch mal eine verfallene Villa. Oftmals stehen die Gebäude aber einfach leer oder sind von der heftigen Witterung schon nach wenigen Jahren so beschädigt, dass eine nähere Erkundung weder lohnt noch ratsam wäre. Aber auch "richtige" Lostplaces gibt es. Neben dem alten Swimmingpool einer nicht mehr existenten Hotelanlage und ein paar Aquakulturbetrieben kann man auch die Reste der alten Küstenstraße bewundern, welche einst den Hauptverkehrsweg auf der Insel dargestellt hat und heute hauptsächlich durch Tunnel ersetzt wurde.
Genauer schauen wir uns in Lugar de Baixo um. Hier wurde Anfang der 2000er mit viel Geld ein Yachthafen und Freizeitzentrum mit Freibad, Tennisplatz und anderem mehr eröffnet. Offenbar hat man dabei leider die Gewalt des Ozeans unterschätzt. In den kommenden Jahren haben große Wellen und Stürme schwere Zerstörung angerichtet, so dass schnell klar wurde, dass eine Marina an der Stelle nicht wirtschaftlich - oder sicher - zu betreiben ist. 20 Jahre später bleibt im Wesentlichen der Rohbau. Allerdings lässt vieles den Luxus noch erahnen, den man hier angestrebt hat. Definitiv ein spannender Spot für einen kleinen Urbex-Nachmittag!
Gefeiert und gefürchtet - Planespotting am FNC & Rückreise
Der Flughafen von Madeira ist aus verschiedenen Gründen berühmt-berüchtigt. Zum einen ist da die Bauart. Er ist an drei Seiten unmittelbar vom Atlantik umgeben und auf einer vom Gebirge. Platz für Korrekturen ist also wenig. Das ist auch deswegen spannend, weil zum anderen die Wetterbedingungen auf Madeira eben sehr wechselhaft und vor allem stürmisch sein können. Hier zu landen oder abzufliegen, könnte also sehr abenteuerlich werden. Da der Flughafen auch direkt neben einer recht steilen Straße liegt, hat man einen idealen Blick auf die einzige Start- und Landebahn. Perfekte Bedingungen zum Planespotten!
Nach einer kurzen Recherche bzgl. der anstehenden Starts und Ladungen positionieren wir uns taktisch günstig auf einer Anhöhe mit dem Teleobjektiv und fangen tatsächlich einige schöne Aufnahmen ein. Was auffällt ist, dass sehr hart gebremst wird und auch mit vollem Schub abgehoben. Für Luftfahrtenthusiasten eine hervorragende Gelegenheit, um neue Eindrücke zu sammeln. Diese setzen sich auch nach dem Check-In auf der gigantischen Besucherterrasse des Flughafens fort, von der aus man ebenfalls einen exzellenten Blick auf die Startbahn hat.
Unser eigener Start verläuft zum Glück dank geübter TAP-Piloten und lediglich 10 km/h Windgeschwindigkeit butterweich. Auch der Landeanflug auf Lissabon war einprägsam, denn er ermöglicht einen schönen Blick auf Christusstatue, Brücke des 25. April und die Innenstadt. Aufgrund leichter Verspätung ist unser Layover dieses Mal auf einen Toilettengang begrenzt. Ungeachtet dessen bekommen wir pünktlich unseren Anschlussflug zurück zum BER und haben eine ereignisarme Weiterreise. Auch hier funktioniert die Logistik - von der langen Reisezeit abgesehen - reibungslos.
Sehr nah am perfekten Reiseziel - Das Fazit
Bereits nach wenigen Tagen vor Ort ist glasklar geworden: Es ist keineswegs übertrieben, Madeira als "wunderschön" zu bezeichnen. Dem exzellenten Ruf, der der Insel vorauseilt, wird sie auf jeder Ebene mit Bravour gerecht. Klares Key-Feature ist hierbei die Landschaft. Diese ist schlichtweg spektakulär und das nicht immer hier und da mal ein bisschen, sondern quasi durchgängig, zweifelsfrei aber an der kompletten Küste. Man kann quasi jeden zufällig gewählten Abschnitt fotografieren und hat immer ein Postkarten-Motiv - wow!
Aber darauf ruht sich die Insel nicht aus. Die Infrastruktur ist hervorragend, das Essen auf Weltklasseniveau und die Locals sind nicht nur freundlich, sondern auch sehr stolz auf ihre Insel. Es wird sehr intensiv versucht, "Overtourism" im Stile Spaniens zu vermeiden und eine gesunde Balance zwischen echtem Leben und Tourismus zu finden. Dies gelingt ausgezeichnet, so dass die Insel eine für europäische Feriendestinationen unvergleichliche Authentizität ausstrahlt ... wenn man von einer überschaubaren Anzahl von Kreuzfahrtschiffen im Hafen absieht. Umso erstaunlicher ist es, dass das allgemeine Preisniveau sehr überschaubar ist.
Negativ ins Gewicht fallen, zumindest potenziell, nur zwei Aspekte. An- und Abreise können logistisch aufwändiger sein, mit gewissen Unsicherheiten verbunden und eventuell einen gefestigten Magen erfordern. Was einem außerdem bewusst sein sollte: Man befindet sich in den Subtropen. Extreme Wetterereignisse wie Stürme mit 100+ km/h Windgeschwindigkeiten sind daher keine Seltenheit. Obwohl das durchaus faszinierend ist, sind die Auswirkungen dabei teilweise so heftig, dass uninformiertes oder unüberlegtes Handeln nicht nur unkomfortabel ist, sondern unter Umständen tödlich. Spätestens wenn man bei einer Gebirgswanderung von einem Orkan oder an der Küste von einer 10-Meter-Welle überrascht wird, kann es schnell eng werden. Gute Vorbereitung und dynamische Planung sind hier hilfreich.
Wenn man mit diesen beiden Punkten umgehen kann, hat man gute Chancen, auf Madeira den perfekten Urlaub zu haben. Die Bedingungen dafür sind jedenfalls exzellent und wir können die Insel als Reiseziel ansonsten uneingeschränkt empfehlen. Wir freuen uns bereits auf unseren nächsten Besuch, den machen wir dann allerdings vielleicht lieber im August oder September ;).
Boa viagem!