Holiwas bitte?
Heiß war es diesen Sommer in unseren Gefilden. Für die arbeitende Bevölkerung bleibt da kaum eine Alternative dazu, mit dem Bürostuhl zu verschmelzen und die stickige, ventilatorgerührte Luft zu verschlucken. Von nichts kommt ja schließlich nichts, auch bei Temperaturen jenseits der 30°. Zu blöd, dass man nicht wenigstens da arbeiten kann, wo es schön ist.
Oder kann man vielleicht doch? Flexible Arbeitszeitmodelle sind bereits seit längerem in großen Firmen ein heiß diskutiertes und oft auch schon praktisch gelebtes Thema. Langsam rückt auch der nächste Schritt der modernen Arbeitskultur in den Fokus und es stellt sich die Frage: Wenn das "wann" flexibel ist, warum nicht auch das "wo"?
Ein Großteil der deutschen Büroarbeit und auch das Wirken von manchem Selbstständigen oder Freiberufler spielen sich in aller Regel heutzutage mit zwei Geräten ab: einem Computer mit Internetzugang und einem Smartphone. Glücklicherweise sind beide Geräte mobil und damit relativiert sich auch die Ortsgebundenheit des Arbeitsplatzes.
Sofern also keine wichtigen Aufgaben vor Ort, etwa Meetings oder Kundentermine, anstehen, macht es in der Praxis wenig Unterschied, ob man seine Mails im stickigen Büro bearbeitet - oder auf einer Terasse mit Blick aufs Meer! Für genau dieses Konzept beginnt sich langsam der Begriff "Holiwork", zusammengestzt aus Holiday und Work, durchzusetzen. Klingt ganz nach unserem Geschmack!
Nicht im Urlaub arbeiten - beim Arbeiten Urlaub machen
Was braucht es nun für einen gepflegten Holiwork? In erster Linie natürlich eine schöne Gegend, ein paar abenteuerlustige und motivierte Kollegen und eine Tätigkeit, die einige Tage Verzicht auf den angestammten Arbeitsort zulässt - am besten vielleicht ein in sich geschlossenes Projekt.
Wichtig ist auch, dass man mit Fokus auf die Arbeit - wenn auch anders als gewohnt - an die Sache herangeht und nicht zu sehr dem Urlaubsgedaken verfällt. Es handelt sich schießlich um einen Arbeitsurlaub und nicht um die zurecht verhasste Arbeit im Urlaub!
Alle geschilderten Voraussetzungen findet man des Öfteren in der IT-Branche, in welcher ich zufällig tätig bin :D. Im Frühjahr habe ich mit vier Kollegen das Experiment gewagt und erste Erfahrungen zum Thema gesammelt.
Wohin, wenn nicht ins Büro?
Damit das Unternehmen Holiwork gelingt, bedarf es allerdings einer gewissen Vorbereitung. Die wichtigste Frage stellt sich zuerst - wohin soll es gehen und was ist die richtige Location?
Es bietet sich an, etwas abgeschieden zu residieren - mit der nötigen Ruhe und fernab von möglichen Ablenkungsquellen. Dennoch dürfen Annehmlichkeiten und ein entspanntes Umfeld nicht fehlen. Wichtigste Grundvoraussetzung jedoch dürfte sein, dass ausreichend Strom und eine Breitband-Internetverbindung zur Verfügung stehen! In unserem Fall fiel die Wahl auf eine Finca samt Gut, einige Kilometer nordöstlich von der Inselhauptstadt Palma auf ... wie sollte es anders sein ... der Balearenschönheit Mallorca!
Das Anwesen ist das Ferienhaus eines äußerst freundlichen spanischen Anwalts, der sich mit der Vermietung über AirBnB einen Zuschuss für die laufenden Kosten verdient. Es verfügt über fünf Schlafzimmer, eine gut ausgestatte Küche (mit Geschirrspüler!), einen geräumigen Wohn- und Essbereich sowie über eine großzügige Terrassenlandschaft. Auf dem 35.000m² großen Grundstück befinden sich außerdem exklusiv ein Pool, ein Fußballplatz und - es soll ja nicht an Vitaminen mangeln - die hauseigene Orangenplantage. Außerdem erscheint alle paar Tage eine Putzkolonne :).
Im April war das Objekt mit insgesamt knapp 1400€ für 7 Nächte noch etwas günstiger als jetzt. Bei einer Anreise mit 6 Leuten, die wahrlich fürstlich viel Platz haben, reden wir hier für diesen halben Palast also von etwa 33€ pro Nacht und Nase. Da das deutlich günstiger und gleichzeitig exorbitant luxuriöser ist als ein Hotel, steigt das Preis/Leistungsverhältnis in groteske Regionen, wohingegen die Reisekosten im überschaubaren Rahmen bleiben. So wird's gemacht!
Die Abgeschiedenheit des Sonnenarbeitsplatzes bringt allerdings auch das Problem mit sich, dass es deutlich schwerer ist, sich zu versorgen. Außerdem möchte man ja allgemein etwas flexibel sein ... lange Rede, kurzer Sinn: für die Zeit vor Ort empfiehlt sich ein Mietwagen. ABER auch hier sollten die "Ablenkungsquellen" natürlich minimiert werden. Mit einem Roadster wären Serpentinen wohl attraktiver als der Schreibtisch im Freien. Daher braucht es ein Auto, das zwar fährt, aber keinesfalls zum Fahren animiert. Diese Mission erfüllt in unserem Fall der Hyundai ix35 perfekt ... örgs.
Ich packe meinen Koffer...
Wenn das Feriendomizil gesichert und die Flüge gebucht sind, ist die Vorbereitung schon halb erledigt. Aber eben auch nur halb. Damit aus dem Holiwork kein Holichill wird, heißt es, spätestens 1-2 Tage vor Abreise nochmal den Kopf zusammennehmen - sowohl individuell als auch im Team.
Es sollte im Vorfeld mit allen Beteiligten besprochen werden, welche Ziele realistischerweise im anvisierten Zeitraum und Umfeld bewältigt werden können. Für das Arbeiten außerhalb des gewohnten Rahmens empfiehlt sich (neben etwas Tagesgeschäft) oft Kreativarbeit, das Entwerfen von neuen Konzepten oder auch die Klärung von strategischen Fragen.
Entscheidend ist, dass alle Teilnehmer eine ähnliche Vorstellung vom Projektumfang und Workload haben und vor allem auch konkrete Tätigkeiten und Aufgaben vor Ort. Die Holiwork-Idee braucht natürlich einen festen Rahmen und gewisse Disziplin. Andernfalls ist das erste Bier schnell geöffnet und die Füße sind im Pool.
Neben der Vorbereitung im Team heißt es aber auch individuell den Kopf zusammennehmen. Zusätzlich zum Mitnehmen von Badehose und Sonnencreme muss der Arbeitsurlauber natürlich sicherstellen, dass er auch entsprechend produtiv arbeiten kann. Dazu gehört es, an das entsprechende Equipment zu denken - das bedeutet in erster Linie Laptop, Smartphone und sämtliches Zubehör wie Ladekabel, Adapter, externe Geräte u.v.m.
Auch auf landestypische Eigenheiten wie Steckdosenformate (I'm looking at you, Italy!) und als Fallback eine mobile Auslandsdatenverbindung sollten geachtet werden. Des weiteren sind natürlich projektspezifische Fragen vorher zu klären, etwa die eingeschränkte Präsenz im Büro, die Verfügbarkeit von notwendigen Daten, Unterlagen oder Informationen sowie die Erreichbarkeit in Notfällen.
Grau ist alle Theorie ... Holiwork in der Praxis
Ok, ok ... die Bude und der Wagen sind gebucht, das Projekt geplant, der Laptop geladen und verstaut. Das ersehnte Freiluftbüro ist nur noch einen Flug entfernt - ab dafür. Der erste Tag ist vermutlich am sinnvollsten damit genutzt anzukommen, sich ein wenig in der unbekannten Umgebung einzuleben und ein bisschen den konkreten Ablauf des Aufenthalts zu besprechen und zu planen.
Ab da kann man sich - natürlich in gebührend entspannter Atmosphäre - in die Arbeit stürzen, wie auch immer diese aussieht. Aber macht man das auch? Nun, diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. An dieser Stelle zeigt sich wie gut Vorbereitung, Einstellung und Ausführung ineinandergreifen. In unserem Fall war die Umsetzung durchaus gelungen. Einen kleinen Einblick verschafft folgendes Video:
Die ungewohnte Arbeitsumgebung bietet in jedem Fall ein hohes Potential. Die neuen Eindrücke, die diese Arbeitssituation mit sich bringt, bieten sich regelrecht an, um aus gewohnten Prozessen auszubrechen und mal "outside of the box" zu denken. Gerade für kreative Themen wie zum Beispiel die grundlegende Konzeption eines neuen Produkts oder den Entwurf der nächsten Quartalsstrategie bietet die Holi-Komponente vielleicht vorher ungeahnten Input.
Ein neuer Blickwinkel auf Probleme geht auch oftmals mit Lösungen einher, auf die man im normalen Büroalltag nicht gekommen wäre, wo man ja im Regelfall doch immer die gleichen Gesichter neben sich sitzen hat und primär mit den gleichen Köpfen denkt und debattiert. Im Holiworkmodus hindert aber nichts daran, sich auch mit Kollegen aus anderen Abteilungen mal mit einem Kaltgetränk auf die Hollywork...ähh...wood-Schaukel zu verziehen. So bricht man aus gewohnten Strukturen aus und kann gemeinsam geistig neue Wege beschreiten.
Gleichwohl zeigt sich hier, neben der kreativitätsfördernden Umgebung, die zweite und vermutlich sogar wichtigere Holiwork-Komponente - die zwischenmenschliche! Natürlich kennt man Kollegen, mit denen man fünf, sechs, acht, manchmal zehn Stunden am Tag im Büro verbringt, relativ gut. Dennoch ist es immer etwas anderes, mal ein paar Tage am Stück miteinander zu verbringen und sich auch in Situationen zu erleben, die über den normalen Büroalltag hinausgehen.
Nicht nur, aber auch deswegen sollte trotz disziplinierter Arbeit der gemeinsame Spaßfaktor nicht zu kurz kommen. Sei es beim Fußballspielen, einem Ausflug in die nächste Tapas-Bar oder auch einer durchzechten Nacht auf der Strandparty. Teams schweißt man nicht nur mit Druck zusammen, sondern auch mit gemeinsamen Erlebnissen und Erinnerungen an gelungene Events.
Und, funktioniert es? Ein Fazit
Ob der Holiwork funktioniert, oder ob es sich doch, wie von vielen Außenstehenden oftmals vermutet, um einen verkappten Urlaub auf Firmenkosten handelt - das kommt auf jeden selbst an. Natürlich darf man nicht mit der Erwartung herangehen, eine ähnliche oder gar noch höhere Produktivität zu erzeugen als am angestammten Arbeitsort. Dafür sind Ablenkung und Aufregung dann meist doch zu groß.
Gold wert ist der Holiwork aber in jedem Fall für das Teambuilding. Es gibt keine bessere Gelegenheit, um Kollegen kennen und wertschätzen zu lernen, als private Momente auf neutralem Boden zu teilen. Beim Bier am Lagerfeuer oder dem gemeinsamen Grillerchen unter der mediterranen Sonne kommen einfach andere Gespräche auf als beim Mittagsdöner im Meetingraum.
Natürlich ist ein Holiwork in diesem Ausmaß auch mit Kosten verbunden, aber, richtig vorbereitet und ausgeführt, überwiegen klar die Vorteile. Man kann eingefahrene Strukturen und Denkweisen aufbrechen, Sachen vorantreiben, die im normalen Alltag gerne hinten runterfallen und liegenbleiben.
Vor allem aber geht es um eines - nämlich folgende Erkenntnis: Arbeit ist was man draus macht und niemand hat gesagt, dass sie nicht auch schön sein darf - einen guten Flug 🙂 !
P.S.: Wenn man schon einmal vor Ort ist, hält einen ja auch keiner davon ab, eventuell noch ein paar Tage "echten" Urlaub dranzuhängen und, wie in unserem Fall, die mallorquinischen Straßen mit einem anständigen Gefährt zu würdigen - aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal :D.