Letzte Woche haben wir uns mit den Städten Lissabon und Porto auseinandergesetzt. Die bunten Metropolen prägen den Blick auf das Land erheblich. Aber das Bild von Portugal wäre natürlich nicht komplett, ohne auch das berzaubernde Inland zu entdecken. Es setzt auf der einen Seite den Eindruck des Abwechslungsreichtums fort, ist aber auf der anderen Seite trotzdem viel ruhiger und bedächtiger, als die bunten und pulsierenden Städte. Ein hervorragendes Beispiel dafür sind z.B. die Hänge am - so sagen viele Einheimische - schönsten Fluss Portugals, dem Douro.
Grüne Landschaft, ehrwürdige Weingüter und atemberaubende Straßen - Das Dourotal
Ja, aber wie ist das denn jetzt nun mit dem Portwein?! Das haben wir uns, gerade nachdem wir in Porto so stark mit der Thematik konfrontiert waren, auch gefragt! Der Sache gehen wir auf den Grund, allerdings ein wenig flussaufwärts. Mit unserem weißen Freiluftcruiser aus München machen uns auf, um das Dourotal zu erkunden. Dies im Auto zu tun ist per se eine fantastische Idee, denn das Dourotal ist nicht nur landschaftlich mit seinem knalligen Grün und den sanften Hügel sehr beeindruckend. Es bietet tatsächlich auch - wie viele Roadtripper behaupten - eine der schönsten Strecken überhaupt. Avis z.B. bezeichnet besonders die N222 im Herzen des Tals zwischen Peso da Régua und Pinhão als "Die Beste Straße der Welt"! Obwohl das natürlich Geschmackssache ist, bleibt unbestritten, dass die gemächlichen Kurven, die sich immer mehr oder weniger an den Uferverlauf anschmiegen, in Kombination mit der ununterbrochen traumhaften Landschaft für Fahrer wie Beifahrer gleichermaßen ein einzigartiges Fahrerlebnis bieten! Kein Wunder, dass die Unesco dieses spektakuläre Fleckchen Erde 2001 zum Weltkulturerbe erklärt hat - völlig zurecht!
Obwohl das Tal als solches (und ja, natürlich auch die Straße) durchaus dazu einladen, den ganzen Tag hier zu verbringen, ist unser Ziel doch ein anderes. Zu den großen kulinarischen Kulturgütern des kleinen Landes zählt neben den Meeresfrüchten und dem leckeren Gebäck natürlich auch der Portwein. Der süße Rotwein (seltener auch Weißwein) wird exklusiv in Portugal und da in erster Linie in den Anbaugebieten im Dourotal hergestellt. Für uns ist das Grund genug, einen Abstecher zu machen und eines der historisches Weingüter zu besuchen - die Quinta da Pacheca in Lamego.
Die Quinta ist eines der ältesten, bekannten Weingüter in Portugal. Ihre erste Erwähnung erfolgte bereits 1738 und gerne wird hier betont, dass das Unternehmen - zur damaligen Zeit äußerst ungewöhnlich - von einer Frau gegründet wurde. Seitdem hat man sich viel Tradition bewahrt, welche wir uns auf einer ausführlichen Führung näherbringen lassen. Allerdings haben wir zwischen Ankunft und Beginn der Führung noch ein bisschen Zeit, so dass wir auf eigene Faust das Gelände erkunden und ins Grün der Weinberge eintauchen.
Auf der Führung werden uns zunächst die Produktionsanalagen als solche näher gebracht. Die Tradition hat man hier nicht nur in Form der Gebäude erhalten, sondern tatsächlich auch in Form der Produktionsprozesse. Die Trauben werden nach der Ernte in riesigen Steinbottichen tatsächlich noch manuell (d.h. mit den Füßen) zerstampft, um ihnen die Flüssigkeit zu entlocken. Zur Erntezeit kann man hier auch als Gast tätig werden. An dieser Stelle möchte ich die Quinta für das exzellente Marketing loben - die Arbeit outzusourcen und sich dafür auch noch bezahlen zu lassen ist wirklich clever :). Ebenfalls beeindruckend ist der Weinkeller als solcher, in dem der Portwein in riesigen Fässern reift. Das historische Gemäuer wird auch gern als Eventlocation genutzt - aufgrund der gleichermaßen einladenden wie geschichtsträchtigen Atmosphäre eine gute Idee.
Aber natürlich sind wir nicht nur zum Schauen und Staunen gekommen. Nein, wir wollen jetzt endlich original Portwein verkosten - im portugiesischen Dourotal - wo man näher an der Quelle nicht sein kann. Auch hier zeigt sich wieder die Spezialität der Portugiesen, nämlich auf äußerst elegante Art und Weise Tradition und Moderne zu verbinden. Die Verkostung findet in einer Art Gartenhäuschen, quasi mitten im Weinberg, statt, das aber fast nur aus Glas besteht. So kann man beim Genießen einen uneingeschränkten Blick auf den Ursprung des Weines werfen und so das Produkt noch direkter schätzen.
Wir probieren einige Portweinsorten und lernen dabei viel über den Herstellungsprozess und die einzelnen Arten. Portwein wird zunächst, wie andere hochwertige Weine auch, handverlesen, gepresst und der Most zur Gärung angesetzt. Den Portwein macht besonders, dass die Gärung (also hier die Umwandlung von Zucker in Alkohol) deutlich eher gestoppt wird. So erhält der Wein zwar einen angemessenen Alkoholanteil, hat aber gleichwohl noch eine deutlich intensivere Süße, als es etwa bei normalem Rotwein der Fall ist. Außerdem wird, je nach Vergärungsgrad, mehr oder weniger viel Weinbrand hinzugefügt. Dann lagert das Gemisch mehrere Jahre in großen Fässern, wo der eigentliche Reifungsprozess stattfindet. Nach frühestens zwei Jahren wird der Wein verkostet und die Qualität bestimmt - auch und zuvorderst durch das Portweininstitut, welches alle Portweine auf ihre Qualität prüft.
Prinzipiell unterscheidet man zwischen den Ruby-Typen und Tawny-Typen. Die beiden unterscheiden sich in erster Linie durch die Zeitspanne der Lagerung. Ruby wird im Regelfall nur zwei bis drei Jahre im Tank gelagert und danach direkt in Flaschen abgefüllt. So werden die Aromen erhalten. Allerdings reift der Ruby auch in der Flasche noch weiter und variiert so in der Qualität. Auch die Tawny-Weine lagern ein paar Jahre in den Tanks, werden dann aber nicht direkt in Flaschen abgefüllt sondern in kleine Pipen, wo der Portwein aufgrund der Lagerungsart mit Luft in Kontakt kommt und somit schneller altert. Der Reifeprozess zieht sich dann nochmal über mindestens zwei Jahre, oft aber auch über mehrere Jahrzehnte hin. Je nach Reifedauer variieren die Farbe, der Geschmack und vor allem die Aromen, die man schmeckt. Der Old oder Aged Tawny lagert bis zu 40 Jahre, bevor er abgefüllt und ausgeschenkt wird.
Um spannende Erfahrungen und diverse Gläser Wein reicher, beenden wir Aufenthalt und Führung und machen uns auf den Rückweg Richtung Porto - abermals auf fantastischen Straßen entlang des Douroufers. Ein Besuch in Portugal ist nicht komplett, ohne sich das Tal angesehen und Portwein probiert zu haben. Inwiefern sich die beiden Aktivitäten allerdings kombinieren lassen, muss natürlich jeder selber entscheiden. Bei mehr als ein paar Probe-Schlücken sollte man sich wohl ggf. eher ein Zimmer im 5-Sterne-Hotel der Quinta nehmen, anstatt die bezaubernden Straßen zu genießen ;).
Raue Naturgewalt und unglaubliche Weite - Der Atlantik
Fahren kann man allerdings nicht nur im Dourotal gut, sondern auch im Rest des Landes. Auch im ländlichen Portugal stellt man schnell fest, dass das kleine Land auf engem Raum sehr viel bietet. Einer der Gründe dafür ist die relativ weite Nord-Süd-Ausdehnung des Landes. Es lohnt sich daher, einen ausgedehnten Autoausflug zu machen. Während im Süden des Landes, an der Algarve, eher mediterrane Einflüsse dominieren und Palmen die Vegetation bestimmen, wird die Landschaft Richtung Norden zunehmend schroffer.
Im Gegensatz zur Südküste wird die Gegend weiter im Norden noch stärker vom rauhen Atlantik beeinflusst, dessen Küste die Westgrenze des Landes bildet. An den breiten und sehr gepflegten Stränden lässt sich hier die Schönheit und die Naturgewalt des Ozeans gleichermaßen erahnen. In der warmen Jahreszeit lädt die Küste auch sicherlich zum Baden ein, da Portugal allerdings nur im Süden wirklich verlässlich warm ist, kommt ein Strandausflug an den Atlantik wohl nur im Hochsommer so richtig in Frage. In unserem Reisezeitraum, Mitte Juni, war es jedenfalls deutlich zu kalt und stürmisch - der Strand war zum Baden gesperrt.
Aber an der portugiesischen Küste wird nicht nur gern gebadet, auch andere Sportler kommen auf ihre Kosten. Die steife Brise vom Meer und die mit ihr verbundenen Wellen ziehen in erster Linie Surfer an. Egal ob klassisches oder Kitesurfen, die Strände sind bei Freunden der Fortbewegung auf dem Wasser sehr beliebt. Doch auch für die Leute, die mit dem Wasser nichts anfangen können, lohnt der Ausflug zum Strand. In den vielen niedlichen kleinen Küstenorten befinden sich auf den Promenaden zahlreiche Cafés, Restaurants und Bars, die dazu einladen, einfach mal innezuhalten und den Blick in die Ferne zu richten.
Manche sagen, wenn man ganz genau hinschaut kann man - ganz klein - New York sehen, das zufällig genau auf der selben Höhe ist wie Porto :p. Auch wenn wir all diese Annehmlichkeiten leider noch nicht genießen können - Mitte Juni ist hier noch tiefste Vorsaison - so hat es doch auch einen gewissen Reiz, ganz allein am Strand zu sein und völlig ungestört das Naturschauspiel zu genießen. Auch ohne Badehose lässt sich so super ein Stündchen abschalten!
Von Meeresspiegelhöhe aus machen wir uns auf zu neuen Höhen ... und zwar zu den höchsten des Landes!
Ruhig und ein bisschen verwunschen - Serra de Estrela
Gerade mal rund zwei Autostunden braucht man von Meeresspiegelhöhe bis an den Rand des höchsten Gebirges von Kontinentalportugal - dem Estrelagebirge. Es beherbergt neben dem 1993m hohen Torre, dem höchsten Berg des portugiesischen Festlands, noch sechs weitere Gipfel über 1500m. Zwischen den Gipfeln liegen kleinere Berge und eher karg bewachsene Hochebenen, die einen schroffen Charme versprühen. Sofern man sie denn zu sehen bekommt ...
Das Juniwetter in Portugal ist durchaus schön - fünf Mal am Tag. Im Gebirge ist es umso schlimmer ... an diesem Tag fahren wir bei grauem, aber scheinbar stabilen Wetter los. Bis zu unserem ersten Ziel, einer alten Festungsanlage, sieht es noch ganz gut aus - grau aber halbwegs trocken. Bis nach 5 Minuten, wir waren kaum ausgestiegen, ein Regenschauer aufzieht, gefolgt von relativ dichtem Nebel. Schade, hatten wir doch extra für solche Ausflüge wie an diesem Tag unser gemächliches A5-Cabrio gegen einen sportlichen BMW 4er getauscht - schließlich gelten die portugiesischen Straßen mit als die größten Geheimtipps in Europa.
Aber so schnell lassen wir uns nicht entmutigen! Wir setzen unsere Route trotz widriger Bedingungen fort und das lieber gemächlich als sportlich. Ziel ist der höchstgelegene, mit dem Auto zu erreichende Punkt - der Parkplatz am Torre. Dieser ist im Winter auch Anlaufpunkt für Ski- und Snowbordbegeisterte, denn die Hänge rund um den Gipfel sind das einzige Wintersportgebiet in Portugal. Auch geschichtlich ist der Berg interessant, denn hier befinden sich noch zwei verlassene Radome der Nationalgarde, die auf dem Berg vor der touristischen Nutzung eine Basis unterhalten hat.
Aprospos Nutzung ... das Wetter hat sich leider noch nicht wesentlich gebessert - aber wir sind am höchsten Punkt, d.h. von hier aus geht es bergab, und wo es runter geht, da verschwindet vielleicht auch der Nebel. Wir folgen dem Rundkurs, den unser Reiseführer als kurvenreichste Strecke preist und stellen fest: Hartnäckigkeit zahlt sich aus. Es regnet zwar immer noch leicht und der Asphalt ist nass, aber dafür ist die Sicht deutlich besser geworden und wir sind buchstäblich alleine auf den Straßen. Und was für Straßen ... die meisten sind kurvig, aber gerade so steil, dass man sie immer noch komplett einsehen kann. Die freie Bahn, die sich geschmeidig an den Berg legt, lädt dazu ein, der Ideallinie nachzuhaken und der 4er zeigt was er kann. Spurstabil schiebt das Heck den luftigen Bayern um's Eck und dem Fahrer ein Grinsen ins Gesicht. Na bloß gut, dass wir am Ball geblieben sind! Ist das nicht ein Traum von Spurführung?
Empfehlung: Nicht nur im Dourotal und Estrelagebirge besticht Portugal mit atemberaubenden Pisten. Wer noch Inspiration für seinen Roadtrip braucht, sollte mal auf portugalmotorcycletours.com vorbeischauen. Dort wurden die 10 besten Straßen des Landes gekürt!
Sicher eignet sich das Gebirge auch hervorragend zum Wandern, Mountainbiken oder einfach nur Entspannen und Natur genießen. Aber wir haben an dem Tag nur Augen für die grandiosen Straßen, die wir uns lediglich gelegentlich mit der ein oder anderen Nebelschwade teilen müssen. Mit leichtem Schleudertrauma für den Beifahrer und einigen Dutzend Litern Sprit weniger beenden wir unseren Tag im Sterngebirge, wie sich die Serra de Estrela übersetzt nennt und können einen Ausflug nicht nur - aber in erster Linie - für Freunde der gepflegten Kurvenhatz sehr empfehlen!
In vielerlei Hinsicht unterschätzt - Portugal im Fazit
Auf der geistigen Landkarte ist Portugal ja meist eher unauffällig, da am äußersten Rand Europas gelegen. Man weiß zwar, dass es das Land gibt, aber als Reiseziel ist es noch nicht wirklich auf dem Radar. Das ist auf der einen Seite natürlich gut, da auch die touristisch schon stark erschlossenen Gebiete wie Lissabon noch nicht zu überlaufen sind und so entdeckt werden können, ohne sich durch Menschenmassen schieben zu müssen wie z.B. in Rom. Auf der anderen Seite wird es dem Land aber auch nicht gerecht, denn Portugal bietet eine unglaubliche Eindrucksvielfalt auf engem Raum.
Die beiden größten Städte, Lissabon und Porto, entfalten jeweils ihren ganz eigenen Charme, indem sie die unverkennbare, jahrhundertealte, vielseitige Geschichte elegant mit dem modernen Großstadtleben verbinden. Die engen, verwinkelten Gassen, die historischen Plätze und die freundlichen Leute laden zum Kennenlernen und Wohlfühlen ein. Gleichwohl sind sie auch die kulinarischen Zentren des Landes und bestechen mit den vielleicht besten Meeresfrüchten in Europa und den leckersten Törtchen bzw. Süßgebäck.
Die Landschaft und Natur reichen von Palmen und mediterranem Flair im Süden bis hin zu subalpinen Skibedingungen im Estrelagebirge. Zwischendrin warten unter anderem der mächtige Atlantik und das überbordend grüne Dourotal, die Heimat des Portweins. Auf einer Fläche kleiner als Ostdeutschland ist hier wirklich für jeden Geschmack was dabei. Die moderaten Lebenshaltungskosten und die südländische Gastfreundschaft tun ihr Übriges! Portugal ist ein erstklassiges Reiseland und wartet darauf, entdeckt zu werden.
Lissabon und/oder Porto werden inzwischen von den meisten großen Flughäfen in Deutschland aus angeflogen. Falls der Sommerurlaub also noch aussteht, schaut euch die Ecke an - es lohnt sich :).