Anreise: Mit dem Zug von St. Petersburg nach Moskau
Da waren wir also, vom herbstlichen St. Petersburg auf dem Weg nach Moskau – in einem deutschen ICE. Der „Sapsan“, den wir als Alternative zu einem Inlandsflug gewählt haben, übertraf unsere Erwartungen. Nicht nur hat uns der Hochgeschwindigkeitszug, der bis zu 300 km/h fährt, in unter vier Stunden die knapp über 700 Kilometer nach Moskau befördert. Es war dabei sogar in der günstigsten Kategorie, die wir im Vorfeld online für 35 € p.P. gebucht haben, sehr komfortabel. Eine echte Alternative zum Inlands-Flug. Interessant ist vielleicht der Fakt, dass die Züge zwar von Siemens geliefert wurden, die Software allerdings eine Eigenentwicklung war. Die Software war deutlich teurer als die von Siemens angebotene und ist schlechter, dafür Russisch.
Darüber hinaus erhält man auf diesem Weg direkt ein anderes Bild von Moskau - das Moskau der Randbezirke, der verfallenen Plattenbauten, der Armenviertel. Zu dem Zeitpunkt war uns noch nicht klar, dass wir nur wenige Stunden später genau jene Plattenbau-Gegenden erkunden würden.
Als Tourist wird man in Moskau, ähnlich wie in St. Petersburg, sofort von den gewaltigen Metro-Stationen in den Bann gezogen. Nicht ohne Grund werden die prunkvollen Stationen gern als "unterirdische Paläste" bezeichnet. Überall finden sich Wand- und Deckenmalereien sowie Ornamente, die man bestaunen kann - sofern es der Menschenstrom zulässt, denn die Moskauer Metro wird täglich von bis zu zehn Millionen Menschen genutzt.
Unsere Unterkunft war zum zweiten Mal das Hilton Moscovskaya, welches insbesondere durch seine zentrale Lage im inneren Ring und fairen Preisen aufwartet. Das Hilton hat für russische Verhältnisse einen sehr hohen Standard. Wie auch im Domina Prestige in St. Petersburg gelten die Vorteile, dass das Personal Englisch spricht und die Visa-Beantragung dank Einladung durch das Hotel nach Buchungsbestätigung erleichtert wird.
Ein Stück russischer Alltag
Unser Moskau-Besuch hatte diesmal einen besonderen Anlass: unser Freund Dimitry, der uns wie beim letzten Mal unermüdlich als Städteführer zur Verfügung stand, hat sich eine eigene Wohnung gekauft. Diese war nach mehreren Jahren Bauzeit bezugsfertig und wir waren zur Einzugsfeier eingeladen. Wir waren sehr gespannt, bekamen wir so doch die eher seltene Gelegenheit, hautnah ein Stück russischen Alltag zu erleben. Und dieser findet weit abseits unseres so schön zentral gelegenen Hotels statt, ca. 40 Minuten Metro und 30 Minuten Autofahrt entfernt am Rande Moskaus.
Mögen die Russen generell distanziert gegenüber Fremden erscheinen, sind sie umso warmherziger, wenn man sie näher kennenlernt. Um den Einzug zu besiegeln, haben Dimitry und seine Frau Lena ein traditionelles russisches Buffet vorbereitet: Brot, Schinken, Käse, Gurke und Wodka. Natürlich Wodka. Beim Anblick der Ein-Liter-Flasche schwante uns nichts Gutes. Dima tat das ab mit den Worten: "One liter is normal for two persons." Alles klar! Willkommen in Moskau!
An dieser Stelle sei auch mal ein kurzer Blick auf die wirtschaftliche Situation Russlands erlaubt. Als Touristen haben wir uns zwar gefreut, dass sich der Rubelkurs im Vergleich zu unserem ersten Besuch fast verdoppelt hat (ein Euro war ca. 75 Rubel wert, 2013 etwa 35). Für die arbeitende Bevölkerung Russlands ist diese Entwicklung natürlich weit weniger willkommen. Insbesondere die russische Mittelschicht, die Kredite für Autos oder Wohnungen i.d.R in ausländischen Währungen aufnimmt, ist davon stark betroffen. Zweistellige Zinsen runden das Bild der Schuldenspirale für ohnehin weniger einkommensstarke Haushalte ab. Die nicht endenden Plattenbauten in den Randbezirken fangen an, Sinn zu ergeben.
Die vielen Facetten der russischen Hauptstadt
Am zweiten Tag verschlug es uns, ganz tourimäßig, auf den Roten Platz mit den erklärten Zielen Lenin Mausoleum und Basilius-Kathedrale. Beides hatten wir noch nicht von Innen gesehen und waren entsprechend gespannt. Die Basilika ist mit ihren Zwiebeltürmen eines der bekanntesten Wahrzeichens der russischen Hauptstadt. Der äußere Prunk spiegelt sich auch im Inneren wider, allerdings begleitet von fortlaufenden Restaurationsarbeiten. Ähnliches hatten wir ja bereits bei der Herimitage in St. Petersburg erlebt.
Das Lenin Mausoleum blieb für uns weiterhin verschlossen. Wie schon bei unserem ersten Moskau-Trip war dieses für Touristen aufgrund von Wartungsarbeiten nicht zugänglich. Immerhin haben wir so bereits ein Ziel für das nächste Mal. 😉
Eine Sache, die uns kontinuierlich fasziniert hat, ist der Verkehr auf den Straßen Moskaus. Stadtautobahnen mit bis zu vier Spuren pro Richtung, riesige Kreuzungen, in die der Seitenverkehr ohne Ampelsystem einfährt, Beschleunigungsrennen... Verkehrsregeln sehen die Russen eher als Richtlinien, mitunter vielleicht auch deswegen, weil man sich aus den meisten Verstößen freikaufen kann. Nicht nur einmal haben wir wie kleine Kinder an einer Kreuzung gestanden, und das hupende Treiben als Zeugen von gefühlt 100 Beinahe-Unfällen beobachtet.
Die Augen wieder losgelöst von diesem Treiben, wandten wir uns unserem nächsten Ziel zu: dem Oktoberfest. - Was? Moment mal! - Ja, richtig gelesen. Die Tradition des Oktoberfestes hat es sogar nach Russland geschafft. Unmengen Alkohol und hübsche Frauen, soweit das Auge reicht, kann man in Moskau zwar auch sonst jeden Tag haben. Aber unsere Städteführer haben uns eingeladen, gemeinsam mit Freunden von ihnen einen "German evening" zu begehen.
Dazu sei gesagt, dass das Oktoberfest in verschiedenen Restaurants angeboten wird. Eine Zeltstadt wie in München gibt es nicht, dies wurde seitens der Regierung sogar als "antirussisch" eingestuft. Im Restaurant Paulaner Brauhaus sind wir dennoch fündig geworden. Das bayrische Bier und die heimischen Gerichte waren ungewohnt in dieser Umgebung. Macht nichts, denn nach der ersten Runde Bier hatten wir drei russische Freunde mehr.
Mit denen ging es ein paar Maß später weiter zu den Lichtfestspielen über der Moskwa, dem gleichnamigen Fluss der Stadt. Es handelte sich um einen Teil des Circle of Light Festivals, welches jährlich zwischen September und Oktober stattfindet. Das Zusammenspiel der Lasershow, der Musik, dem Feuerwerk, das sich im Wasser widerspiegelt inmitten der begeisterten Menschenmassen war ein phantastisches Erlebnis und ein wirkliches must-see, wenn man zu dieser Zeit die russische Metropole besucht.
Abreise und Fazit
Unsere Zeit in Moskau war schon wieder vorbei. Verflogen, schnelllebig, wie die Stadt selbst. Am Abreisetag ließen wir unsere Koffer nach dem Check-out im Hotel, um die letzten Stunden bis zu unserem Flug bei milden Wetter im Botanischen Garten zu verbringen. Es sollte zugleich das Abschiedsessen mit Dima werden, der uns auch am letzten Tag hlifreich beiseite stand. Das kleine Park - nennen wir es - Restaurant wurde dem Anlass leider nicht gerecht. Unsere Fleischplatten, deren Beilagen kalt waren, haben wir zur Hälfte stehen lassen. Hier sollte man sich entweder was zum Picknicken mitnehmen, oder auf Restaurants mit guten Bewertungen, z.B. bei TripAdvisor, zurückgreifen, um nicht enttäuscht zu werden. Wir haben uns in der Regel auf die Empfehlungen unseres Stadtführers verlassen, was bis auf dieses mal auch sehr gut ging.
Davon abgesehen ist der riesige Park ein Beispiel russischer Machtdemonstration. In wenigen Abständen kann man Maschinen aus Luft- und Raumfahrt sowie dem Militär anschauen, wie es in Deutschland nur in einem Museum möglich wäre. Es mag befremdlich und ein Stück weit ironisch sein, kleine Kinder neben einem Raketenabwehrsystem spielen zu sehen. Für die Russen ist das normal, Alltag und ein Stück Nationalstolz.
In diesem haben wir uns so verloren, dass wir fast die Zeit vergessen haben. Zusätzlich dazu war unser Fußweg zur nächsten Metro-Station weiter als gedacht. Da auch noch unsere Koffer im Hotel standen, waren wir ziemlich schnell in ziemlich große Zeitnot geraten, was unseren Rückflug anging. Wir mussten vom Hotel zurück in die Metro, von da in den Aeroexpress und von da zum Flieger - und wir fingen an zu rechnen, ob das gut gehen kann. Aber das ist eine Geschichte für sich. Nur so viel: Wie viel Zeit nehmt ihr euch in der Regel so, um mit eurem Handgepäck vom Flughafen-Bahnhof in den Transferbus zum Flieger zu kommen? Wir gehen jede Wette ein: Mehr als wir! 😉
Kurz gesagt: Unsere Abreise aus Moskau war so spannend, wie die Zeit in Russland selbst. Wir hatten Erlebnisse, die den Horizont erweitern, Eindrücke, die bleiben und die Menschen, die das möglich gemacht haben. Wir bedanken uns herzlich bei Lena und Dima, die den Trip zu etwas Besonderem gemacht haben.
Спасибо, Лена и Дима! До следующего раза. 🙂
Update vom 10.11.2016: Wir haben nochmal im Reisetagebuch gekramt und uns diese kleine Episode wieder ins Gedächtnis geholt, die wir euch nicht vorenthalten möchten:
How to: Boarding am zweitgrößten Flughafen Russlands in unter 15 Minuten
Kennt ihr das auch? Ihr reist nur mit Handgepäck. Das heisst, ihr spart euch das lästige Gepäckaufgeben. Und Zeit. Vielleicht sollte man trotzdem 90 Minuten, aber mindestens eine Stunde vor Abflug am Flughafen sein. Man weiß ja nicht, was beim Boarding los ist. Also angenommen, euer Flug geht um 19:40 Uhr. Das Boarding findet zwischen 19:00 und 19:20 Uhr statt. Wann würdet ihr da sein, um entspannt euer Gate zu finden und durch Passkontrolle und Security Check zu kommen? So 18:15 wäre gut. Vielleicht eher 18:00 Uhr? Aber auf jeden Fall nicht später als 18:30 Uhr.
Das hatten auch wir uns gedacht, als wir unsere Rückreise von Moskau nach München angetreten sind. Blöderweise befanden wir uns um 18:00 Uhr aber noch im Zentrum Moskaus, eine gute Stunde entfernt vom Sheremetyevo Flughafen im Norden der Stadt...
Hier ein kleines how to in Form eines Zeitstrahls, wie man es dennoch wohlbehalten zurück nach Deutschland schafft:
17:50 |
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18:06 -18:31 |
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18:31 - 19:06 |
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19:15 - 19:18 |
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