Kolumne

Erkundungstouren zwischen Geröll und Geschichte – Faszination "Urban Exploring"

von Robert 24. April 2022 0 Kommentare
Hotel Schwarzeck Nebenflügel

Der Reiz des Vergangenen – Das Konzept Urbexing

Mit Hobbys ist es ja oftmals so: Was bei dem einen pure Begeisterung, Vorfreude und Ekstase auslöst, entlockt anderen oftmals nur ein müdes Lächeln, Gleichgültigkeit oder sogar die blanke Panik. Das Erkunden alter, verlassener Gemäuer dürfte auch so ein Thema sein. Für den Großteil der Menschen ist die Vorstellung, freiwillig in verfallenen, dreckigen und manchmal auch gruseligen Bauten rumzukriechen nicht unbedingt das, was sie mit einem gelungenen Sonntag verbinden.

Ganz zur Lobby vom Hotel Schwarzeck, ThüringenWir gehören da allerdings zu der anderen Sorte Mensch – nämlich der, die eine kindliche Freude daran hat, in ausrangierten Objekten den Echos der Vergangenheit nachzuspüren. Das respektvolle Erforschen solcher "Lost Places", gerne auch verbunden mit der entsprechenden Dokumentation, wird üblicherweise als "Urban Exploring" oder kurz "Urbexing" bezeichnet. "Lost" muss dabei aber nicht bedeuten, dass der Ort völlig menschenleer ist. Ein lohnenswertes Urbex-Ziel kann alles sein, was von Menschenhand geschaffen wurde und nicht mehr seinem ursprünglichen Zweck gemäß verwendet wird. Vom Denkmal über Infrastruktur bis hin zu normalen Gebäuden sind dem Entdeckerdrang hier zunächst keine Grenzen gesetzt.

Willy macht Foto von verfallenem GangUnser persönliches Interesse erstreckt sich dabei vor allem auf Orte, die eine historische Bedeutung haben oder an denen, im starken Kontrast zum verlassenen Zustand, einstmals viel Leben war. Thematisch besonders spannend sind daher für uns Objekte aus den Bereichen Touristik (z.B. Hotels und Freizeitparks), Logistik (z.B. Bahnanlagen und Verkehrsinfrastruktur), Industrie (z.B. Fabriken / Büros) sowie Militär (z.B. Bunker und Kasernen). Unabhängig davon würden wir aber im Zweifelsfall alles besuchen, was eine spannende Geschichte zu erzählen vermag.

BMW Z4 vor sowjetischem KampfhelikopterDie Faszination für verlassene Anlagen wurde bei mir schon in der Kindheit geweckt, als der ein oder andere Familienausflug am Wochenende sich auch mal auf einem ehemaligen Militärflugplatz oder in alten Kasernen der Sowjetarmee abgespielt halt. Von beidem gab es in Ostdeutschland in den 90ern reichlich und zu entdecken eine Menge. Seitdem üben verlassene Gebäude und Ruinen eine magische Anziehungskraft auf mich aus – je besser erhalten, desto stärker. Sich darin zu bewegen ist wie ein Blick durch ein kleines Fenster in die Vergangenheit. Für sich genommen unscheinbare Hinweise setzen sich wie Puzzlestücke zusammen und zeichnen ein Bild dessen, was einmal gewesen ist. Auch wenn es immer unvollständig bleiben wird, ergeben sich so einzigartige Einblicke, welche den meisten Menschen verborgen bleiben.

Hausdamenbereich Hotel Schwarzeck, ThüringenDaher ist es auch nicht verwunderlich, dass wir dem Reiz in den letzten Jahren nicht immer widerstehen konnten, einige spannende Objekte etwas genauer - manche auch sehr genau - unter die Lupe zu nehmen. Herausgekommen sind dabei nicht nur mehrere erfolgreiche Fotoreportagen, sondern vor allem spannende Erfahrungen im Umgang mit verlassenen Orten. Da uns immer wieder auch Rückfragen erreichen und Informationen (aus verständlichen Gründen) eher rar sind, soll dieser Artikel als Überblick und allgemeiner Einstieg in das Thema dienen.

Klassenraum im Hotel Schwarzeck, Thüringen

„Aber darf man das denn überhaupt?“ – Rechtliche Rahmenbedingungen

Eine sehr berechtigte Frage, die man definitiv im Vorfeld klären sollte! Ob man es darf oder nicht, lässt sich nämlich keinesfalls pauschal beantworten, sondern muss immer vom jeweiligen Objekt abhängig gemacht werden. Da zunächst davon auszugehen ist, dass die meisten verlassenen Orte trotzdem jemandem gehören, kann es sich technisch gesehen durchaus um Land- bzw. Hausfriedensbruch handeln. Diese Straftat wird für gewöhnlich allerdings nur verfolgt, wenn der Besitzer dies auch möchte. Allerdings muss dafür auch erstmal jemand vor Ort sein, der von der Anwesenheit Notiz nehmen könnte. Dementsprechend gilt hier die alte Weisheit: "Wo kein Kläger – da kein Richter".

3 - HintereingangAls Faustregel kann daher gelten: Wenn das Objekt erkennen lässt, dass Zutritt seitens des Eigentümers unerwünscht ist, sollte man sich genau überlegen, ob man sich hineinbegibt oder lieber nicht. Klare Anzeichen dafür sind entsprechende Schilder, Kameras, verschlossene Eingänge oder auch ein Wachschutz. Vor allem aber gesicherte Eingänge wie verbarrikadierte Türen und Fenster deuten unmissverständlich darauf hin, dass man ohne Weiteres nicht willkommen ist. Es versteht sich dabei von selbst, dass keinesfalls Schäden angerichtet werden dürfen, um sich Zutritt zu verschaffen (... oder überhaupt). Ebenfalls selbstverständlich sollte sein, dass auch nichts aus dem Lost Place entwendet wird. Andernfalls kämen zu Landfriedensbruch u.U. noch Sachbeschädigung und Diebstahl. Sollte das Gebäude jedoch frei zugänglich sein, spricht juristisch im Regelfall nichts gegen einen Besuch.

Lost Place Sophienheilstätte PrivatbesitzWer hier auf Nummer sicher gehen möchte, greift auf eine der zahlreichen Möglichkeiten zurück, Lost Places legal zu erkunden. Oftmals reicht eine freundliche Nachfrage beim Besitzer. Wer sich mit dem Micromanagement nicht rumschlagen möchte, dem seien entsprechende Tourenanbieter ans Herz gelegt. Die Firma "go2know" ermöglicht etwa im Rahmen von Fototouren das legale Erkunden spannender Orte – vor allem solcher, die der Öffentlichkeit sonst unzugänglich sind. In manchen Fällen bieten auch private Vereine, die sich der Pflege ausrangierter Anlagen verschrieben haben, Touren an. Empfehlenswert ist hier z.B. der Verein "Berliner Unterwelten e.V.", welcher die Erkundung verborgener Objekte in der Hauptstadt ermöglicht.

Berliner Unterwelten Flakturm TourEinen weiteren rechtlichen Aspekt sollte man bei der Veröffentlichung von Bildmaterial beachten: den Datenschutz. Von besonderem Interesse bei der Erkundung sind vor allem Dokumente. Diese tragen erheblich dazu bei, die Geschichte des Ortes plastischer nachvollziehen zu können. Falls man diese später ins Internet stellt, sollte man allerdings beachten, dass keine Daten ersichtlich sind, die Rückschlüsse auf bestimmte Personen zulassen - denn das ist ein DSGVO-Verstoß. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um sehr sensible Dokumente handelt, etwa Patienten- oder Gerichtsakten.

Einen guten Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen geben hier der Kölner Anwalt Christian Solmecke und der YouTuber ItsMarvin:

LOSTPLACE : Ist ein Besuch Illegal ? - Fragen an den Rechtsanwalt Christian Solmecke !

„Und ist das nicht auch gefährlich?!“ – Tipps zur Sicherheit

Auch diese Frage ist überaus wichtig, aber ebenfalls nicht pauschal zu beantworten. Wie gefährlich oder sicher die Erkundung ist, ist extrem vom jeweiligen Objekt abhängig. Ein Hotel, welches vor drei Jahren geschlossen wurde und immer noch gelegentlich gewartet wird, dürfte kaum einsturzgefährdet und somit relativ sicher zu erkunden sein. In einem Hotel, das seit 30 Jahren geschlossen ist und seitdem verfällt, lauern natürlich ganz andere Gefahren. Man sollte sich bewusst machen, dass die Risiken größer werden, je länger ein Gebäude o.ä. nicht mehr gepflegt wurde.

Nochmal riskanter ist die Erkundung von Orten, die bereits zu Betriebszeiten gefährlich waren. Dies gilt z.B. für Schwerindustrie oder militärische Anlagen. Ungesicherte Maschinen oder durchaus auch Munition und ähnliches vorzufinden, ist tatsächlich keine Seltenheit. Der zweite Faktor neben dem Verfall ist also vor allem das Vorhandensein inhärenter Betriebsrisiken. Kurzum: Je länger etwas verfällt und je gefährlicher es zuvor bereits war, desto größer ist auch das Risiko vor Ort.

Schwere Geräte in der Zeche Zollverein, EssenGenerell gilt jedoch wie bei allen anderen Hobbys auch: Wer mit gesundem Menschenverstand rangeht, dem wird im Regelfall nichts passieren. Oder wie es bei den Simpsons so schön hieß: "Wer sich konzentriert, dem nichts passiert". Das bedeutet in der Praxis, dass man fokussiert bei der Sache sein und sich genau überlegen sollte, welche Bereiche man betritt. Im Umkehrschluss heißt das vor allem: Man sollte dringend aufpassen, wo man den Fuß als nächstes hinsetzt und wenn etwas instabil wirkt, sucht man einen anderen Weg oder lässt es links liegen.

Eingestürzter Gang mit Absperrband im Hotel Fürstenhof, Eisenach
Das Risiko lässt sich weiter senken, indem man folgende allgemeine Tipps beachtet:

  • Vorrecherche: Es lohnt sich, vorab Informationen zum Objekt einzuholen, etwa Erfahrungsberichte oder Insider-Hinweise von anderen Urbexern, die auf Gefahren und Probleme hindeuten können.
  • Nicht allein gehen: Es ist prinzipiell ratsam, immer mindestens zu zweit unterwegs zu sein, so dass im Zweifelsfall jemand vor Ort helfen kann. Zudem sollte eine dritte, nicht-anwesende Person vom Besuch wissen und im Zweifelsfall nachhaken können.
  • Verteilt gehen: Gerade bei Strukturen, die möglicherweise nicht mehr die stabilsten sind, sollte man mit einigen Metern Abstand laufen, um das Gewicht und das Risiko zu verteilen.
  • Ränder nutzen: Treppen, Gänge und Böden sind im Regelfall am Rand am stabilsten, daher sollten diese, besonders bei Holzuntergründen, auch primär betreten und die Mitte eher gemieden werden.
  • Kleidung: Festes Schuhwerk und lange Kleidung sind dringend zu empfehlen, um das Verletzungsrisiko durch Kratzer oder Schnitte zu verringern. Je nachdem, wie stark und mit welchen Gegenständen man vor Ort interagieren möchte/muss, schaden auch Handschuhe nicht.
  • Hilfsmittel: Das wichtigste Hilfsmittel ist Licht! Hier hat sich die Kombination aus einer Stirnlampe und einer LED-Taschenlampe bewährt. Nur wer sieht, wo er hintritt, kann dies sicher tun. Ein betriebsbereites Smartphone für Notfälle sollte zudem auch permanent dabei sein. In länger nicht gelüfteten Räumen kann auch ein Kohlenmonoxid-Detektor notwendig sein!
  • Technik: Es empfiehlt sich, mehrere Akkus/Speicherkarten für Kamera und Lampen dabeizuhaben, um nicht mittendrin zurückgehen zu müssen.
  • Grenzen respektieren: Wenn irgendwo ein Bauzaun steht, ein Absperrband vorhanden ist oder ein Bereich generell sichtbar abgesperrt ist, hat das im Regelfall gute Gründe und ihn nicht zu betreten ist oftmals die beste Option.
  • Alles unverändert lassen: Es ist aufgrund von Verletzungsgefahr und juristischen Komplikationen (s.o.) nicht ratsam, Dinge vor Ort irreversibel zu verändern oder gar zu entfernen. Daher sollte man alles genau so hinterlassen, wie man es vorgefunden hat.

Robert fotografiert die Klimanalage im Hotel SchwarzeckWer diese einfachen Regeln beachtet – und vor allem während der Tour konzentriert und aufmerksam bleibt – kann sich an den meisten Orten mit überschaubarem Risiko bewegen. Auch wenn Urbexing natürlich spannend ist und Spaß macht, sollte doch die eigene Sicherheit immer an erster Stelle stehen.

Sauberkeit, Ordnung, Sicherheit

Spannendes vor der Haustür – Lost Places in Deutschland

Aber "grau ist all die Theorie", daher widmen wir uns nun der Praxis :). Die gute Nachricht zuerst: Es gibt quasi überall spannende Objekte, die darauf warten, erkundet zu werden. Wer die Augen einmal offen hält, wird selbst in der eigenen Nachbarschaft relativ schnell die alte Fabrik, die verlassene Villa oder das leerstehende Bürogebäude bemerken, an dem man schon hundertmal vorbeigelaufen ist. Auch in gut entwickelten Industrienationen wie Deutschland gibt es mehr als genug spannende Objekte zu erkunden. Allerdings gibt es auch hierzulande Gegenden, in denen die Dichte an Bauten, die ihren ursprünglichen Zweck überlebt haben, höher ist als in anderen. Ein schönes Beispiel dafür ist Berlin.

Berlin Skyline vom Teufelsberg ausAufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und der abwechslungsreichen Geschichte der Stadt hält sie eine Vielzahl an erkundenswerten Objekten bereit – manche offensichtlicher als andere. Für einen leichten Einstieg bieten die Berliner Verkehrsbetriebe eine sogenannte "U-Bahn-Cabrio Tour" an. Man fährt in einem offenen U-Bahnwagen durch den Untergrund und bekommt dabei auch Teile des Tunnelnetzes zu sehen, die sonst dem üblichen Verkehr verborgen bleiben. Die Fahrt ist ein spannendes und einzigartiges Erlebnis, aber deswegen auch sehr begehrt. Es empfiehlt sich, mit ausreichend Vorlauf zu buchen!

Ebenfalls sehr sehenswert und gleichwohl aus geschichtlicher Perspektive spannend ist die Flakbunker-Tour des Vereins Berliner Unterwelten. Hier erkundet man das Innenleben der Reste des namensgebenden Flakturms, welcher Anfang der 40er Jahre von den Nazis zur Verteidigung Berlins gegen Luftangriffe errichtet wurde. Berlin bietet allerdings nicht nur unter der Erde historische Militäranlagen, sondern auch auf dem Berg. Dem Teufelsberg, um genau zu sein. Dort befinden sich die Reste der amerikanischen Abhöranlage aus dem Kalten Krieg. Besonders ikonisch sind dabei die  kugelförmigen Radargehäuse. Auch hier werden von einem Verein organisierte Führungen angeboten.

In den ländlicheren Teilen Deutschlands sind die Lost Places zwar nicht so dicht verteilt wie in den Städten – dafür sind sie aber oftmals abgelegener, ursprünglicher und weniger stark besucht. Bei mehreren Gelegenheiten verschlug es uns nach Thüringen. Bereits im Jahr 2018 haben wir im Rahmen unseres Deutschland-Roadtrips einen Stopp in Eisenach eingelegt. Dort haben wir – das erste Mal zusammen mit go2know – das ehemalige Luxushotel Fürstenhof erkundet. Dabei entstand eine spannende Fotoreportage, die wir auf imgur.com veröffentlicht haben und die dort einiges an Beachtung gefunden hat.

Thüringen hat auch zwei Jahre später eine große Rolle für uns gespielt. Auf dem Weg nach Venedig haben wir drei Tage in Ilmenau Quartier bezogen, um von dort aus zwei spannende Lost Places im Umkreis zu erkunden. Zunächst haben wir das Hotel Schwarzeck besucht. Dieses hat eine extrem bewegte Geschichte und war zuerst Sanatorium, dann Ausbildungszentrum für die NS-Luftwaffe und schließlich Stasi-Schule. Zuletzt wurde es von der Stadt als Hotel betrieben. Einige Kilometer weiter haben wir uns in der "Sophienheilstätte" umgeschaut – einem ehemaligen Sanatorium für Lungenkrankheiten. Die Fotoreportagen zu diesen Touren haben wir ebenfalls auf imgur veröffentlicht, wobei insbesondere die letztere viel Aufmerksamkeit bekommen hat.

Aber nicht nur im Osten und der Mitte Deutschlands finden sich spannende Orte zum Erkunden. Auch das Ruhrgebiet beherbergt aufgrund seiner Industriegeschichte viele lohnende Destinationen. Wir selbst haben bereits 2017 an einer geführten Tour durch die Zeche Zollverein in Essen teilgenommen, welche hochspannend war. Aber auch für "selbstgeführte Touren" bietet die Region etliche Objekte. Deutschland ist also unabhängig von der konkreten Location reichhaltig gesegnet mit verlassenen Orten, deren Geschichten es zu entdecken gilt, bevor die Zeit sie frisst.

Andere Länder, andere Hütten – Urbexing weltweit

Um noch ein Vielfaches größer werden die Möglichkeiten, wenn man den Fokus auf das Ausland ausdehnt. Wir verbinden sehr gerne auch unsere zahlreichen Reisen mit Urban Exploring, so es sich denn halbwegs vernünftig in die Planung einfügt. Hier gilt allerdings zu beachten, dass die rechtliche Lage sowie die Besitzverhältnisse oftmals noch unklarer sind als zuhause in Deutschland. Das bedeutet auch: Mögliche Konsequenzen sind schwerer abzuschätzen! Da die Sicherheitsstandards vielerorts weniger streng sind als in Deutschland und man mit den Gegebenheiten vor Ort weniger vertraut ist, kann man zudem eventuelle Gefahren schwieriger einordnen. Folglich ist bei Urbexing in fremden Ländern nochmal mehr Vorsicht geboten!

Panzer der Kroatischen ArmeeDaher gilt auch unter diesen Umständen: Gesichert legale Optionen sind ein guter Einstieg. Nach diesem Schema haben wir die #OTRARallye2017 genutzt, um uns zum Chillout in Frankreich genauer umzusehen. Im Rahmen unseres Paris-Aufenthaltes haben wir die sagenumwobenen Katakomben besucht. Das Labyrinth an Gängen und Kammern, welches sich quer durch den Untergrund der französischen Hauptstadt zieht, kann offiziell besichtigt werden. Anlaufstelle ist hier unter anderem der Eingang an der Place Denfert-Rochereau. Selbst legal ist die Angelegenheit angsteinflößend genug, denn die Katakomben wurden früher als Friedhöfe verwendet und beherbergen die Gebeine von tausenden Menschen, teils zu bizarren Skulpturen arrangiert.

Nach der Pariser Unterwelt haben wir uns in den ländlichen Norden begeben und die Normandie besucht. Dort ging es natürlich in erster Linie um die Befestigungsanlagen des Atlantikwalls. Wir waren am "Omaha Beach" in Saint-Laurent-sur-Mer und haben neben dem Strand selbst und dem "D-Day"-Denkmal das dortige Museum besucht – beides hochgradig empfehlenswert. Noch spannender dürften allerdings die vielen Bunkeranlagen gewesen sein, welche man auch zahlreich offiziell besichtigen kann. Wir haben uns am "Pointe du Hoc" umgeschaut und waren tief beeindruckt von der Szenerie.

Ebenfalls äußerst beliebt bei Urbexern ist der Balkan. Aufgrund der sehr bewegten und wechselhaften Geschichte der Region ist die Dichte an verlassenen Orten dort unglaublich hoch. Wir selbst haben uns diesen Umstand bereits mehrfach zu Nutze gemacht und einige wirklich einzigartige Orte untersucht. Eines meiner Lieblingsobjekte bis heute ist nach wie vor das ehemalige Luxushotel Belvedere in Dubrovnik, Kroatien. Das Hotel wurde Mitte der 80er eröffnet und war ein paar Jahre lang eines der besten und bekanntesten in Jugoslawien. Aufgrund seiner einzigartigen architektonischen Komposition könnte es auch heute fast noch als modern gelten. Zudem war es überregional als Luxushotel mit sehr hohem Standard bekannt. Anfang der 90er wurde es zum Flüchtlingslager umfunktioniert, von der serbischen Armee belagert und steht seit dem Kriegsende leer. Eine wirkliche Schande, dass so ein an sich lebensfrohes Objekt auf so tragische Weise dem Verfall preisgegeben wurde – aber auf eine morbide Art und Weise auch unglaublich faszinierend.

Eine noch einzigartigere Eigenheit des ehemaligen Jugoslawiens sind sogenannte Spomeniks. Dabei handelt es sich um sozialistische Denkmäler, die an besondere Ereignisse oder Schlachten erinnern sollen. Die teils bizarre Anmutung in Kombinationen mit einer oftmals futuristisch-brutalistischen Architektur sucht weltweit ihresgleichen. Von der mannshohen Statue bis zum mehrstöckigen Gebäude ist an Formen und Größen alles dabei. Der beeindruckendste dürfte der "Petrova Gora Spomenik" sein – ein grotesk anmutendes Stahlbetonskelett, das nur noch leidlich mit Alupaneelen verkleidet ist. Das Denkmal befindet sich auf dem höchsten Berg im kroatisch-bosnischen Grenzland und bietet ein einzigartiges – wenn auch relativ gefährliches – Exploring-Erlebnis. Wir haben es im Rahmen des Balkan-Roadtrips 2017 gewagt und eine virale Fotoreportage veröffentlicht :). Der Balkan bietet also unglaublich spannende Objekte. Da aber bis heute nicht behobene Kriegsschäden und vielfältige Gefahren bis hin zu immer noch aktiven Minenfeldern lauern, sollte man nur mit ausreichender Erfahrung und/oder Ortskenntnis in der Region urbexen!

Auch außerhalb von Europa ist die Versuchung groß und die Auswahl noch größer. Aber auch die Gefahr ist oftmals – genau wie auf dem Balkan – nochmal deutlich größer als zuhause, etwa in den USA. "Trespassers will be shot" kommt da leider nicht von ungefähr. Da es in Amerika aber auch reichlich legale oder zumindest organisierte Touren gibt, empfiehlt es sich abermals, zunächst von diesen Gebrauch zu machen. 2019 haben wir in San Diego die U.S.S. Midway besichtigt. Dabei handelt es sich um einen Flugzeugträger der US-Navy, der nach dem Golfkrieg außer Dienst gestellt und zum Museum umfunktioniert wurde. Das gute Stück ist zwar alles andere als "lost", aber dafür eine einzigartige Möglichkeit, authentisch einen Flugzeugträger zu erleben. Neben dem Träger selbst darf man auch mit Jets, Helikoptern und anderen Fluggeräten spielen :D. Die Besichtigung ist ein Muss für jeden, der sich für Geschichte, Militär oder Technik interessiert!

Um ohne offizielle Genehmigungen in Nordamerika auf Erkundungstour zu gehen, eignet sich das deutlich tolerantere Kanada besser – auch wenn da weniger verfallen ist. Im Rahmen des #OTRAmerika19-Roadtrips haben wir uns entlang des Weges ein noch nicht ganz verlassenes Ski Resort auf Cape Breton Island im Osten Kanadas näher angeschaut. Dass das Land ziemlich gut organisiert ist, sieht man auch daran, dass selbst mitten in der Wildnis relativ schnell der Sicherheitsdienst vor Ort war ... glücklicherweise war unser Dodge Charger deutlich schneller :D. Ansonsten war die Ausbeute an "Abandoned Places", wie sie im Englischen korrekt heißen, für uns in Amerika bisher eher dünn – aber vielleicht ändert sich das ja in absehbarer Zeit ;).

Ski Cape Smokey Resort, Cape Breton Island, KanadaEs lohnt sich also, auch im Ausland die Augen offen zu halten – die Urbexing-Spielwiese ist riesig. Dabei sollte man aber immer die lokalen Gegebenheiten und das erhöhte Risiko im Vergleich zu einer Erkundung in Deutschland im Hinterkopf behalten. Dazu kommt, dass man sich mit dem Rechtssystem vor Ort meistens schlechter auskennt und je nach Region nicht mal die Sprache spricht, um sich eventuell erklären zu können.

Danger of Collapsing Schild, Hotel Belvedere, Dubrovnik

Blick über den Tellerrand – Die Community

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Urbex-Community in sich relativ geschlossen ist. Aufgrund der rechtlichen Grauzone, in der man sich mit diesem Hobby oftmals bewegt, ist der Austausch mitunter schwierig. Ein guter Anlaufpunkt, um einen Fuß in die Tür zu bekommen, sind wieder einmal geführte Touren, bei denen man quasi zwangsläufig auf Gleichgesinnte trifft. Wie so oft kann ein freundliches und interessiertes Gespräch mit anderen Gruppenmitgliedern hier viel bewegen und aufschlussreiche Infos oder wertvolle Tipps zu neuen Objekten zu Tage fördern.

Gruppe bei FototourZusätzlich lohnt sich auch bei diesem Thema das Internet zur Recherche und zum Austausch mit anderen Hobbyforschern. International dürfte Reddit hier eine der größten Quellen sein. Aber auch entsprechende Facebook-Gruppen und Kommentarspalten thematisch passender Posts auf Plattformen wie Imgur bieten aufschlussreiche Austauschmöglichkeiten. Für Inspiration sorgt bei uns zudem YouTube. Dort gibt es eine Vielzahl von spannenden Channels, die sich mit Exploration aller Art befassen. Stellvertretend für Dutzende gute Kanäle haben wir als Empfehlungen einige herausgesucht. Diese Channels haben Inhalte, die wir besonders genossen oder als aufschlussreich empfunden haben:

Um die Atmosphäre der Videos bestmöglich aufzunehmen, empfiehlt es sich, sie nachts um 1 im Dunkeln allein mit Surround-Sound zu schauen :D.

Alter Fernseher im Hotel Fürstenhof, EisenachYouTube eignet sich im Übrigen ebenfalls, um in den Kommentarspalten unter den Beiträgen nach Informationen oder Leuten mit Erfahrung vor Ort Ausschau zu halten. Ansonsten gilt allerdings leider, dass Gleichgesinnte auf diesem Gebiet erstmal relativ schwer zu finden sind. Viele wollen juristische Probleme vermeiden. Vor allem aber auch die Sorge, dass Lost Places weniger attraktiv sind, je mehr Infos über sie bekannt werden, ist bei vielen groß. Dennoch schadet es nicht, ein loses Netzwerk aufzubauen. Schließlich ist einsam exploren nicht nur gefährlicher, sondern macht auch deutlich weniger Spaß :).

Willy und Robert auf der Bühne im Ballsaal Hotel Fürstenhof, Eisenach

Zeitreise für Risikobewusste – Ein Fazit

Zugegeben, die ganze Sache ist schon recht speziell. Ich kann jeden gut verstehen, der den Gedanken, über menschenleere Gänge verlassener Gebäude zu schleichen, gespenstisch, unverständlich oder gefährlich findet. Noch besser verstehe ich allerdings die wachsende Minderheit, welche – genau wie wir – immer wieder von der morbiden Faszination des Verfalls in verlassene Gemäuer gezogen wird. So nah und authentisch einen Einblick in die Vergangenheit zu bekommen – besonders an Orten, die im früheren Zustand nicht zugänglich gewesen wären – ist ein aufregendes und erfüllendes Gefühl.

Spielautomaten im Hotel Schwarzeck, ThüringenAuf der anderen Seite ist der Spaß selbstredend nicht ganz risikofrei. Eine ausreichende Vorrecherche sowie ein bewusstes Verhalten vor Ort sind unerlässlich, damit man die Erfahrung möglichst sicher genießen kann. Daher empfiehlt es sich auch dringend, sich langsam an die Materie ranzutasten. Zum Einstieg empfehlen wir geführte, klar legale Touren, um zunächst ein Gefühl für das Erkunden solcher Orte zu bekommen, bevor man sich ggf. auf eigene Faust in Objekte wagt. Dabei gilt: Je länger außer Betrieb und je gefährlicher zu Betriebszeiten, desto höher ist das Risiko einer entsprechenden Erkundung. Wenn man sich jedoch gut vorbereitet und die Sicherheitshinweise beachtet, spricht nichts dagegen, einen Nachmittag lang auf vergessenen Pfaden zu wandeln.

Seitenflügen Hotel Schwarzeck, ThüringenWir wünschen dabei viel Freude, vor allem aber eine sichere Tour!

Disclaimer: Der Artikel versteht sich nicht als Aufforderung zum Urbexing und stellt keine Rechtsberatung dar. Wir raten niemandem, sich unaufgefordert in ungesicherte Objekte zu begeben. Sollte man sich dennoch dafür entscheiden, empfehlen wir dringend, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten und die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Zu den genannten Unternehmen besteht keine Geschäftsbeziehung.

Vielleicht gefällt dir ja auch ...

Kommentar hinterlassen